In David Leitchs neuestem Action-Kracher Bullet Train muss sich Brad Pitt mit vier anderen Auftragskillern um einen Koffer streiten in Japans schnellsten Zug – dem Shinkansen. Dabei passieren absurde Dinge, viel Action, coole Sprüche und ein paar nette Twists.
Rein in Zug, Koffer holen, raus - Einfach oder?
Ladybug ist ein Auftragskiller, der sich neu erfinden will. Sowohl Schusswaffen und als auch Tote sollen bei seinen Aufträgen vermieden werden. Somit bietet sich die kurzfristige Vertretung eines Kollegen bei einer Mission perfekt an, dieses neue Ich auszuleben.
Der Auftrag: einen silbernen Aktenkoffer aus einem Shinkansen holen. Ziemlich simpel. Allerdings befinden sich im Zug noch weitere Auftragskiller, die ähnliche Ziele verfolgen. Dadurch wird Ladybugs ursprünglich einfache Mission zu einem Überlebenskampf bei 500 Kilometern pro Stunde.
Wer die Filme von Regisseur David Leitch kennt, weiß was ihn erwartet: Action, Action, fette Action!
Auch hier ist das keine Ausnahme. Bullet Train sah schon im Trailer unglaublich spaßig aus. Leitch lässt hier mehrere Merkmale seiner vergangenen Regiearbeiten einfließen.
Die Kombination aus Gewalt und Humor kommt von Deadpool. Die Kampfszenen haben den Atomic Blonde-Einfluss, ebenso was die Irrungen und Wirrungen in der Handlung angeht.
Und die Over-the-Top Action lässt sich in Hobbs & Shaw wiederfinden.
Bullet Train macht aber etwas ganz Entscheidendes – er kombiniert all diese Sachen fast zur Perfektion. Angefangen bei seinen Figuren, bis hin zu dem sehr gut getimeten Humor. Den japanischen Shinkansen-Zug als Handlungsort zu wählen und auch alles darin spielen zu lassen, ist ebenfalls eine gute Wahl.
Dieses erweiterte Kammerspiel fühlt sich für die Figuren wichtig an, aber ist nicht gleich wieder eine Weltbedrohung. Das überträgt sich auf den Zuschauer und die Figuren werden einem in Laufe des Filmes immer wichtiger.
Ticket, onegaishimasu!
Der klare Gewinner sind die Figuren. Brad Pitt als Ladybug wirkt zu Beginn sehr entspannt. Er gibt sich den Worten seines Therapeuten hin, ein ruhiger, von Stress befreiter, neuer Mensch zu werden.
Keine impulsiven Ausbrüche; anderen vergeben und das Leben genießen. Nun weiß sein Therapeut nicht, was er beruflich macht, wie Ladybugs Kontaktperson immer wieder hinweist. Aber so geht er recht enthusiastisch an den Auftrag heran.
Dabei trägt Brad Pitts Erscheinung wunderbar dazu bei, den Charakter so liebenswert zu machen. Ladybug sieht mit seinem Hut und der Hornbrille wie ein Kiffer-Tourist aus. Seine Zen-Haltung unterstützt das ganze nochmal.
Daher unterschätzen ihn viele auch, denn gleich in der ersten Kampfszene zeigt Pitt, dass er mit 58 Jahren noch so einiges drauf hat. Er mausert sich vom anfänglichen Peace-Bruder immer mehr zum Actionheld.
Die Figuren werden alle immer mit einer kleinen Rückblende und Geschichte garniert. Das kennt man bereits aus anderen Filmen wie Smokin Aces oder vielen Guy Ritchie-Filmen. Das unterstützt auch nochmal die Motivation der Charaktere und hilft dem Zuschauer, sie in die Geschichte einzuordnen. So lernen wir den Wolf, gespielt von Sänger Bad Bunny, kennen, als er gerade dabei ist, sich mit Ladybug anzulegen.
Bad Bunny ist ein Phänomen. Den Sänger hatte ich das erste Mal auf dem Schirm, als er bei Wrestlemania ein Tag Team-Match bestreiten durfte und gleich mal Aktionen wie einen Canadian Destoyer und einen Sprung vom obersten Ringseil nach draußen zeigte.
In dem Mann steckt mehr als nur der gewöhnliche Sänger. Das beweist er auch hier. Seine Kampfszene ist toll inszeniert und seine Hintergrundgeschichte als mexikanischer Kartell-Handlanger schön zusammengefasst. Das kauft man Bad Bunny ab. Da gibt es andere Künstler, die nur für den Spaß des Cameos auftreten, aber nicht viel beitragen.
Ganz kurz eingeschoben: Es gibt schöne, zum Schmunzeln anregende Cameos, die wirklich aus der Kalten kommen und dadurch umso besser funktionieren.
Aber zurück zu den Figuren. Einige tauchen auch recht kurz auf, werden aber im Laufe des Filmes gut aufgebaut und haben somit eine gewisse Ehrfurcht. Bestes Beispiel ist der Yakuza-Boss White Death. Er wird als das schlimmste Übel dargestellt und die Figuren geben immer wieder mit, dass man ihn nicht verärgern sollte.
Hier kommen die beiden nächsten Lieblingsfiguren von mir ins Spiel: Tangerine und Lemon.
Zwei Auftragskiller-Brüder, die für ihre Professionalität, aber auch Konsequenz bekannt sind. Beide haben den Auftrag, den Sohn und den Aktenkoffer zu White Death zu bringen.
Natürlich klappt das alles nicht so einfach mit den anderen Killern im Zug. Tangerine wird von Aaron Taylor-Johnso, den die meisten als Quicksilber aus dem zweiten Avengers-Film bekannt sein sollte. Sein britischer Halbcockney Akzent in der Originalfassung unterstützt seine Darstellung so gut.
Der weitaus unterhaltsamere der beiden ist aber Lemon, gespielt von Brian Tyree Henry. Henry spielte in Eternals die Figur Phastos und war so ein kleiner Lichtpunkt in dem Film. Hier darf er noch mehr zeigen, dass er es mit trockenem Humor schafft, tolle Momente zu zaubern.
Lemon liebt die Kinderserie Thomas, die kleine Lokomotive. Ja richtig, diese Stop-Motion-Serie mit den Zügen, die Gesichter haben. Das schöne: er hat durch diese Kinderserie gelernt, Menschen zu lesen. Jeder Mensch repräsentiert einen der Züge mit ihren unterschiedlichen Verhaltensweisen.
Im Film erklärt er das immer wieder, was zu vielen kleinen Lachern führt. Doch dahinter steckt viel mehr. Lemon erzählt immer wieder, dass die schlimmste Sorte Mensch die Zugfigur Diesel repräsentieren. Das zieht sich mit solch einer Genialität durch den Film.
Sehr wichtige Figuren für die Geschichte sind ebenfalls Andrew Koji als Kimura und Hiroyuki Sanada als der Alte. Beide haben eine gewisse Verbindung zu White Death und werden durch einen tragischen Vorfall in den Shinkansen gelockt.
Und dann gibt es da noch Joey King als Prince. Sie ist so schön hassenswert und spielt ihr eigenes kleines Spiel mit allen Beteiligten im Zug. Natürlich hat sie auch ein eigenes Ziel, dass allerdings für das meiste Chaos im Zug sorgt. Toll gemacht.
Domo arigato
Ich bin eh ein Fan von diesem ganzen japanischen Stil und Bullet Train lässt das mit dem gewissen Coolness-Faktor in jeder Szene spüren. Hier werden die japanischen Kinderserien mit ihren Maskottchen auf den Arm genommen, die Höflichkeit der japanischen Kultur humoristisch dargestellt und die gewisse Absurdität in Szene gesetzt.
Dabei ist das aber nie respektlos oder unpassend. Die Welt von Bullet Train ist cool, obwohl es eigentlich alles böse schlimme Menschen sind. Doch diese gewisse Verromantisierung der japanischen Kultur mit dem Neonlicht, Anime-Over-the-Topness und Samurai-Katana-Action lädt zum Staunen ein.
Der Film basiert auf dem gleichnamigen Roman von Kotaro Isaka, ändert zwar ein paar Sachen, erzählt jedoch die gleiche Geschichte. Von dem Autor wurden bereits viele seiner Werke verfilmt (ausschließlich im asiatischen Raum). Isaka besitzt ein Händchen für Figuren und Situationen und das spiegelt sich auch in Bullet Train wider.
Natürlich muss ich auch nochmal speziell auf die Action und die Kampfszenen eingehen. Die Kampfszenen sind toll choreographiert. Sei es Ladybugs Kampf mit dem Wolf oder aber das Aufeinandertreffen von Ladybug und Lemon.
Hier ist die Idee, dass sie in einem Abteil sitzen, wo man still sein soll. Bereits im Trailer bekommt man einen kleinen Eindruck von dieser Szene.
Auf die Spitze getrieben wird das ganze von einer Frau, die sich sichtlich darüber ärgert, dass zwei Leute nicht still sein können.
Auch der Endfight weiß noch einmal mit poetischem Katanakampf, gepaart mit der Over-the-Top Action eines Hobbs & Shaw zu glänzen.
Jetzt kann man fragen, warum macht sich hier niemand bemerkbar, dass Leute kämpfen, diese Handfeuerwaffen mit sich rumtragen oder warum das Zugpersonal die offensichtlichen Toten nicht finden und den Zug stoppen?
Ja, gewisse Sachen muss man einfach ignorieren und darf diese nicht zerdenken.
Am Ende weiß der Film selber, dass dies nicht der Realität entspricht und reizt somit alles schön aus. Das ist in Ordnung und es geht hier um den Spaß.
Die Effekte sind okay. Man sieht klar, dass es Effekte sind und manchmal wirkt es etwas verwaschen, aber das stört mich mittlerweile schon gar nicht mehr. Es passt zu dem generellen Stil des Filmes.
Ich könnte jetzt noch auf die genialen Kniffe, das immer schneller werdende Tempo und die großartigen Dialoge eingehen, aber am Ende sage ich klar: geht in diesen Film und erlebt diesen Funride selber!
Fazit
Bullet Train ist einer der Filme dieses Jahr, den man im Kino nicht verpassen sollte. Gleichzeitig wird man aber auch, wenn er dann im Heimmarkt erhältlich ist, eine Menge Spaß mit ihm haben. Der Film ist eine nahezu perfekte Action-Bombe mit witzigen Dialogen, liebenswerten Figuren und toll zusammenwirkenden Handlungssträngen.
Alle Darsteller machen hier eine großartige Figur. Es gibt kein wirkliches Low Light.
Lediglich Zazie Beetz' Charakter hätte etwas mehr Background vertragen, aber das verschmerzt man für den Gag. Dabei kommen mit die schönsten Action-Szenen in diesem Film Jahr zustande und zeigen, dass Tom Cruise nicht der einzige Schauspieler im vorgeschrittenen Alter ist, der noch ordentlich zuhauen kann.
Obwohl die Grundstory einfach gehalten ist und das Setting nur auf den Shinkansen reduziert wurde, entfaltet sich ein kleiner Kosmos, der immer mehr von den Hintergründen der Figuren und ihrer Motivation preisgibt. Alles fügt sich organisch und auf clevere Art und Weise zusammen.
Der Humor besitzt ein gutes Timing und einige kleine Cameos sorgen für zusätzliche Freude. Alles in allem bekommt man hier einen der wohl besten Blockbuster des Jahres 2022.
Insofern: Reingehen!