Die Matrix-Trilogie war wegweisend und nun möchte man mit einem vierten Teil das – wie ihm nachgesagt wird – verkorkste Ende richtigstellen. Matrix Resurrections bringt uns zurück zur virtuellen Welt und den Kampf für die Freiheit gegen die Maschinen.
Down the Rabbit Hole
Thomas Anderson ist Spieleentwickler und hat das erfolgreiche Spielefranchise Matrix erschaffen. Jetzt möchte Warner Bros. gerne an alte Erfolge anknüpfen und einen vierten Teil produzieren lassen. Das Problem dabei: Thomas kämpft mit Panik- und Angstattacken, seitdem er die Spiele entwickelte.
Er kann nur schwer unterscheiden, was Realität und was Fiktion ist. Nur mithilfe seines Therapeuten und blauen Pillen kann er den Wahnvorstellungen Einhalt gebieten. Jedoch erscheint ihm die Kontaktaufnahme durch einen Mann namens Morpheus und ein Angriff in seinem Büro als so realistisch, dass er sein Leben und die Welt selbst infrage stellt.
Ja Kinder, Matrix Resurrections. In der ersten Stunde wurde ich zynischer Mensch eines besseren belehrt und gut abgeholt. Der Film ging in der Eröffnungsszene seinen gewohnten Weg, bricht dann aber schnell damit und wechselt in eine Geschichte, die sich wirklich sehr spannend entwickeln könnte.
Die blaue Pille
Das Konzept der blauen und roten Pille wird hier erweitert und tiefer betrachtet. Was passiert, wenn man die blaue Pille schluckt? Thomas nimmt diese beinah täglich, um seine Wahnvorstellungen unter Kontrolle zu bekommen.
So läuft dann auch jeder Tag für ihn gleich ab: Aufstehen, Kaffee holen, einer Frau im Café hinterherschmachten, Fitness, Arbeit, Therapie, blaue Pille, schlafen. Diese Grundidee ist richtig gut und kreativ. Dabei geht der Film mit dem Stichwort Meta in der ersten Stunde sehr stark um.
Die Matrix-Trilogie ist in dieser Welt passiert. Es sind Spiele mit richtigen Cutscenes, die eben die originalen Filme wiedergeben. Neo, Trinity und Morpheus sind alles Spielecharaktere. Nun will man mehr Geld aus der Marke herausquetschen und hält den Fans somit den kritischen Spiegel entgegen.
Der Film spricht immer wieder an, dass Fans immer ihren alten Scheiß wiedergekaut haben wollen. Nostalgie ist das Zauberwort. Damit lässt sich doch immer Geld verdienen. So packt man in den Hintergrund auch allerlei offensichtliche Anspielungen.
Man macht sich über die Bullet Time sowohl lustig, präsentiert es aber gleichzeitig als das ikonische Gimmick, welches am besten in jeder Szene abgefeuert werden soll. Zwischendrin kommen dann Passagen, wo Thomas immer wieder den Verstand zu verlieren scheint.
In diesen Szenen taucht Morpheus auf oder Thomas' Chef scheint eine jüngere Version von Agent Smith zu sein. Das wird immer wieder clever damit aufgelöst, dass Thomas beim Therapeuten landet, der ihn aus seiner Wahnvorstellung zurück holt.
Das Spiel mit der Psyche und die Frage, ob das alles wirklich nur Fiktion ist und Thomas einfach durchdreht oder die Matrix einen schlauen Trick abspielt, um Neo nicht erneut zur Gefahr werden zu lassen, ist richtig richtig gut.
Die rote Pille
Und dann nach einer Stunde wird das plump aufgelöst und wir bekommen eine Neuerzählung des ersten Teils mit dem Zusatz, dass Neo seine Trinity retten will. Es werden viele komplizierte Erklärungen geliefert, die zwar nicht in tiefe Philosophie abgleiten, aber doch recht unverständlich sind.
Gerade der scheinbare Oberbösewicht hat eine ausufernde Erklärung des Twists parat, die schwer verständlich und unnötig lang ist. Durch solche Streckungen der Story kommt der Film dann auch auf seine 148 Minuten.
Alles, was so gut aufgebaut wurde, lässt man komplett fallen und entlarvt es als einen simplen Trick, um alles unter Kontrolle zu halten. Nun befinden wir uns wieder in dem Loop, den der Architekt in Matrix Reloaded ansprach.
Generell hat man auch das Gefühl, dass der dritte Teil, der gesamte Krieg und das Abkommen von Neo und den Maschinen nicht wirklich was verändert haben. Es gibt durchaus Veränderungen in der realen Welt, aber die sind so minimal, dass es so scheint, als wäre alles umsonst gewesen.
Am ärgerlichsten ist dann die Erkenntnis, dass man in der ersten Stunde noch den Nostalgie- und Fanservice-Wahn kritisiert, aber in der darauffolgenden Länge des Filmes genau das abfeuert und auf Nummer sicher geht.
Das ist zu wenig, da Matrix Resurrections noch ein weiteres Problem besitzt: die Kinowelt ist in den letzten 21 Jahren nicht stehen geblieben!
Der Meister wird von seinen Schülern bezwungen!
Die Matrix-Trilogie war wegweisendes Action-Kino. Nicht nur die Bullet Time, das CGI, das Martial Arts war ein Meilenstein. Auch das gesamte Mysterium um die Matrix suchte seinesgleichen. Der erste Trailer von Teil Eins machte neugierig, was das für ein Film werden könnte.
In jedem Teil gab es ikonische Szenen, die sich einem ins Hirn brannten. Die Bullet Time Szene von Neo auf dem Dach in Matrix. Der Kampf Neos gegen mehrere Agent Smiths oder die gesamte Verfolgungsjagd auf der Autobahn in Matrix Reloaded. Der Angriff der Maschinen auf Zion oder der Dragonball-esque Kampf von Agent Smith und Neo in Matrix Revolutions.
All das fehlt hier. Es gibt keine Szene, die einem im Gedächnis bleiben wird. Die Action ist nicht schlecht, aber da bleibt einem mehr bei einem Fast & Furious hängen, weil es dort so absurd ist. Auch das CGI ist auf demselben Niveau wie viele andere Blockbuster.
Die Bullet Time wird überstrapaziert und passiert mehr im Vorbeigehen, als das es direkt als einzige Lösung eingesetzt wird. Das Kung-Fu wirkt schwach und weniger innovativ.
Keanu Reeves hat sichtlich Spaß, wirkt aber definitiv älter. Carrie-Anne Moss zeigt auch Freude an ihrer Rolle und der Rückkehr als Trinity. Die neuen Stars wie Jessica Henwick (als Bugs) sind vollkommen in Ordnung. Lediglich Yahya Abdul-Matee als neuer Morpheus fühlt sich nicht richtig an, da er sich nicht entscheiden kann, ob er eine Karikatur oder den ernsten Morpheus-Charakter spielen möchte.
Natürlich ist auch schnell klar, wer der Böse ist und welche Figur Jonathan Groff spielen soll. Der Film macht da aber auch gar kein Hehl draus. Ganz ehrlich, ich gönne dem Film schon allein wegen den Beteiligten einen Erfolg, da man diesen nicht böse sein kann.
Lediglich die Entscheidung nicht mit der anfänglichen Grundidee zu gehen, sondern am Ende genau das zu bieten, was man erst kritisiert – das bringt dieses negative Geschmäckle und ärgert im nachhinein.
Fazit
Matrix Resurrections ist kein Stinker, sondern Durchschnitt. Berücksichtigt man jedoch die drei wegweisenden Teile davor, ist es eine Enttäuschung. Die wirklich gute Grundidee der ersten Stunde hätte der gesamte Film sein sollen.
Stattdessen bietet man dem Publikum genau das, was man zuerst kritisiert hat - Fanservice und Abgefeuere der Nostalgie. Das haben auch schon andere Filme dieses Jahr gemacht wie Ghostbusters Legacy oder auch ein Spider-Man: No Way Home.
Doch hier ist es die Schippe zu viel und allein für diese Faulheit gibt es Punktabzug. Es gibt eine halbe Empfehlung, wenn man zu Weihnachten oder zwischen Weihnachten und Silvester nochmal ins Kino will. Dringend nötig ist es aber nicht.