Nach mehrfachen Verschiebungen kann man endlich als Kinogänger und Spielefreund in den Genuss von Free Guy kommen. Ein Film, der sich um einen virtuellen nicht spielbaren Charakter dreht, der zum Held aufsteigt.
Ein weiterer Hollywood-Streifen, der nichts von der Materie versteht oder endlich ein Film für Gamer (der nicht mal auf einem Spiel basiert)?
Level Up!
Guy liebt sein Leben. Er steht früh auf, zieht sein blaues Hemd an, holt sich einen Kaffee und beginnt seine Arbeit in der örtlichen Bank... – die jeden Tag ausgeraubt wird.
Sein Leben findet in Free City statt. Was er nicht weiß: Das alles gehört zu einem Videospiel und er ist nur ein NPC. Die Spieler erkennt man an den Sonnenbrillen, die sie aufhaben. Eines Tages sieht er eine Spielerin und er ändert seine Handlungsroutine, so dass er aus dem Dasein eines NPC ausbricht.
Dieser Film ist großartig. Lest gar nicht weiter, sondern geht sofort ins Kino und schaut ihn euch an. Ihr werdet es nicht bereuen, sondern habt wahnsinnig viel Spass, gerade wenn ihr Gamer seid.
Alles anderen können natürlich noch lesen, was ich zu diesem Film zu sagen habe, aber es sei gleich gesagt, dass es wenig negatives gibt. Free Guy versteht seine Zielgruppe - die Gamer. Die Sandbox-Welt Free City ist ein riesiger Spielplatz für alles mögliche an Blödsinn.
NPCs werden wie Dreck behandelt, weil es natürlich nur NPCs sind. Tötest du einen, respawnt er wieder. Natürlich lässt er auch Geld liegen. Durch die Sonnenbrille können Powerups und andere Sachen gesehen und eingesammelt werden.
Das Aussehen der Spieler orientiert sich an jedem Deppen, der lustige Klamotten im Spiel gefunden hat und damit rumrennt. Ja, sogar die Programmierer geben sich eigene Skins für ihren Einsatz in der Welt. Skins sind übrigens die verschiedenen Kostüme für die, die es nicht wissen. Auch dafür gibt es einen super Moment im Film.
Wake up. Get to work. Get robbed. Repeat.
Ryan Reynolds ist die Figur wie auf den Leib geschrieben. Alles passt. Seine quirrlige fröhliche Art, sein Hundeblick, seine Statur. Ich könnte mir keinen anderen Darsteller für diese Rolle vorstellen. Und im Film spielt er eine Doppelrolle, die ebenfalls saukomisch ist.
Auch hier werden wieder Gameranspielungen rausgehauen. Mir gefiel grundsätzlich die Idee, dass ein NPC erfährt, dass er in einem Spiel ist und gerne etwas verändern möchte. Natürlich gibt es auch einen Hintergrund warum das so ist, aber der wird hier nicht verraten.
Es wird aber auch so gut dargestellt, wie die NPCs die Fußabtreter der Spieler sind. Es gibt Missionen, die beinhalten, dass ein NPCs geschlagen oder ausgeraubt werden muss. Und zu allem Überfluss bückt sich ein Spieler mehrmals auf das Gesicht eines getöteten NPCs, was allgemein als absolute Erniedrigung gilt. Man hat wirklich Mitleid mit den nicht-spielbaren Figuren.
Schön ist dann immer wieder der Perspektivenwechsel zur realen Welt, wo irgendwelche Kinder oder Jugendlichen diese Vollasi-Gamer sind. Wenn Guy dann gegen Spieler vorgeht und in der realen Welt zwei kleine Rotzgören darüber meckern, dass ihre Charaktere gerade auseinandergenommen werden, ist das wunderschön.
Apropos reale Spieler, es gibt einige Cameos von großen Twitch-Streamern. Wer sich da auskennt, hat seine helle Freude. Ebenfalls haben bekannte Darsteller sehr viele Sprecherrollen, was dann nur im Abspann zu erkennen ist. Es gibt auch gleich zu Beginn des Filmes einen tollen Cameo, der gerade wegen des Einsatz von Tanz-Emojis perfekt passt.
Welcome to the real World
In der realen Welt spielt sich natürlich auch eine Geschichte um Jodie Comer, Joe Keery und Taika Waititi ab. Comer und Keery sind beide Spieleentwickler und Waititi der Boss der Firma, die das Spiel programmiert hat. Waititi gibt hier das verhasste Gaming-CEO-Arschloch, das in der Wirklichkeit wahrscheinlich öfters zu finden ist, als man denkt.
Er schikaniert die Angestellten, versucht aus allem Kohle zu machen und ihn interessiert auch nicht, wenn das Spiel Bugs oder ähnliches hat. Ihn interessieren nur die Zahlen und Verkäufe. Selbstverständlich spielt Waititi das überspitzt, aber es passt so gut. Jodie Comer wiederum gibt in der Spielewelt die Actionheldin und ist in der realen Welt etwas verloren.
Beides gelingt sehr glaubwürdig. Joe Keery sehe ich eh immer gerne und auch hier ist er super. Zuerst sympatisiert man als Zuschauer nicht mit ihm, gerade weil er auch versucht, Guy zu löschen. Aber während der Film immer weiter läuft, beginnt man ihn zu verstehen und auch gern zu haben. Sein Charakter hat eine sehr schöne tragische und gleichzeitig kreative Komponente.
Dann gibt es noch Utkarsch Ambudkar als Keerys Kollege, der ein ganz schlimmer Hipster ist. Auch er ist anfangs ein ziemlicher Volldepp, aber durchfährt eine schöne Wandlung.
Das ist generell etwas, dass ich an dem Film mochte: er ist ein schöner Feel-Good-Film für Gamer. Wo Ready Player One nicht so ganz überzeugen konnte oder Ralf Reicht's einfach die Lizenzen fehlten, wird hier gar nicht groß damit geworben, sondern einfach das Leben in einer solchen MMORPG-Welt der Marke GTA komplett nachgestellt (nur eben aus der Sicht der NPCs).
Gleichzeitig zeigt man so viel Herz und nimmt so viele Kleinigkeiten aufs Korn, dass sowohl Gamer als auch Nicht-Gamer auf ihre Kosten kommen. Wenn Spieler bei Twitch nen Livestream halten und mit den Zuschauern interagieren, kapiert unser Guy gar nicht, mit wem der Spieler redet. Oder die Witze über den Skin eines Charakters (ins Deutsche verwirrend mit Haut übersetzt) – dieser Film hat das Herz am rechten Fleck.
Allein am Ende wird nochmal ein neuer Charakter eingeführt, der noch nicht komplett fertig programmiert war. Das äußert sich hauptsächlich in der Sprachwiedergabe. Urkomisch. Außerdem gibt es das wohl beste Film Easter Egg des Jahres.
Fazit
Nach den ganzen Schwärmereien sollte klar sein - geht ins Kino! Dieser Film macht unglaublich viel Spaß und hat keine Längen.
Die Charaktere sind alle so liebens- und hassenswert. Niemand nervt.
Die Macher des Filmes kennen und verstehen ihre Zielgruppe genau.
Sie haben sich mit der Materie auseinandergesetzt und keinen Bullshit damit gemacht. Die Gaminganspielungen sind sinnig, lustig und perfekt umgesetzt. Es gibt unglaublich viele lustige Cameos, wovon einige zwar nur Sprecherrollen sind, aber das ist trotzdem was.
Unbedingt im Kino anschauen. Vielen Dank Ryan Reynolds und alle Beteiligten.