Dass erfolgreiche Serien im Kino eine Fortsetzung bekommen, ist in letzter Zeit seltener geworden. Lieber macht man Kinofilm-Serien á la Marvel. Eine der erfolgreichsten Serien dieses jungen Jahrhunderts schwimmt mal wieder gegen den Trend. Aber kann Downton Abbey auf der großen Leinwand überzeugen?
Es verwundert doch ein wenig, dass gerade diese Serie einen Kinofilm bekam. Erstens hatte man nicht nur ein gutes Ende im Fernsehen gefunden, sondern irgendwo auch alles angesprochen, was in dieser Umbruchszeit um und nach dem Ersten Weltkrieg in Großbritannien wichtig war.
Neben den Einzelschicksalen war es ja diese neue Epoche, die den Niedergang des Adelsstandes mit großer Dienerschaft sah und damit den Rahmen für Downton Abbey darstellt. Sei es ein neues Selbstverständnis der Arbeiterschaft, die aufkeimende Emanzipation der Frau, die Rolle des Landadels in der Gesellschaft oder auch so einfache Dinge wie medizinischer Fortschritt – all dies war immer Stichwortgeber für die Handlung, die sich dann mit Lieben und Leiden der Charaktere verband.
Da erscheint doch eine Serie durchaus besser für solche Themen geeignet. Wie geht man dies also hier an, um in zwei Stunden das zu erzählen, was sonst eine ganze Staffel lang die Fans vor den Bildschirm gebannt hat?
Man komprimiert. Besser gesagt, Julian Fellows, Schöpfer und Hauptautor der Serie, nimmt sich einfach die Ideen für eine ganze Staffel und presst sie in kurze, verdauliche Stücke. Das große Dinner einer Downton-Staffel wird zum Nachmittagstee mit kleinen Gebäckstücken.
Zwei Jahre nach dem Serienende ist der Besuch des Königpaares auf dem Anwesen der Familie Crawley Dreh- und Angelpunkt der Geschichte. Ein solcher kurzer Abstecher ist natürlich nicht einfach so abgehandelt, schließlich muss entsprechend alles vorbereitet werden. Der Palast schickt seine obersten Diener, die die Downton-Angestellten eigentlich nur beiseite schieben wollen, was denen wiederum sauer aufstößt und in einen unterhaltsamen Racheplan mündet.
Gleichzeitig bekommen einige Figuren Nebenplots, die mehr oder weniger mit der Ankunft von König und Königin verknüpft sind und die gleichzeitig deren Geschichte aus der Serie weiterstricken. So wird Butler Barrow (Robert James-Collier) kurzerhand ausgebootet, um seinem Vorgänger Carson (Jim Carter) für die Zeit des Besuches Platz zu machen. Daraufhin lernt er in seiner neuen freien Zeit in York zum ersten Mal einen geheimen Schwulentreff kennen – nicht ohne Folgen.
Tom Branson (Allan Leech) bekommt Probleme wegen seiner Haltung als irischer Nationalist und obendrein noch eine sich anbahnende Liebesgeschichte. Diese ist wiederum mit der Nebenhandlung um eine Cousine der Crawleys verbunden, die vor allem die allseits beliebte Dowager Countess (Maggie Smith) beschäftigt. Imelda Staunton ist der größte Gaststar an dieser Stelle, die als Lady Maud Bagshaw das bekannte Downton-Schema um Familiengeheimnisse und Erbschaften reinbringt.
Aber sie ist auch nicht die einzige neue Figur, die einen Handlungsfaden bekommt. Da stellt sich natürlich die Frage, ob jemand, der die Serie nicht oder nur sehr wenig kennt, überhaupt mit dem Film was anfangen kann.
Die Antwort ist ganz klar: nein. Er ist sogar „schlimmer“ als etwa die Marvel- oder ganz speziell Avengers-Filme der vergangenen Jahre. Wohlwissend um das vorhandene Fan-Publikum wird hier nicht mal der Versuch unternommen, für einen uneingeweihten Zuschauer etwas zu erklären.
Ist Downton Abbey dann wenigstens für die Fans ein Grund zum Freuen?
Ja, zumindest wenn man keine großen Erwartungen daran hat. Hier gibt es keine überraschende Wendungen, keine tiefgreifenden Änderungen im Vergleich zur Serie. Das ganze wirkt wie ein Bonus-Level für die treuesten Anhänger. Man schmeißt sich noch einmal in Frack und Abendkleid, um seine Lieblinge kurz zu sehen.
Dabei setzt Julian Fellows vor allem auf die harmloseren Elemente, die den Reiz der Serie ausmachten. Das Hochglanz-Melodram, die Sprüche der Dowager Countess, die kleinen Nicklichkeiten zwischen den Figuren und auch vergleichsweise viel Humor.
Schlimme dramatische Ereignisse, die einst vor allem Bates und Anna heimsuchten, bleiben erspart.
Gerade die Anfangssequenz ist eine Hommage an den Beginn der Pilotfolge, was auch signalisiert, das man die deutlich ernsteren Themen der späteren Staffeln außen vor lässt.
Der angebotene Stoff reicht, wie gesagt, für eine ganze Staffel, allerdings erfahren auch einige Figuren ziemliche Abstriche im Vergleich zu anderen. Dazu werden Handlungsfäden aus der Serie aufgenommen, die man seinerzeit nicht ganz zu Ende erzählen musste, um sie hier nun einen Schritt weiterzubringen.
Der Soap-Anteil der Serie macht dies möglich, wirklich nötig ist es aber auch nicht. Gerade die Geschichte um Lady Edith (Laura Carmichael) wirkt sehr zu kurz gekommen und am Ende auch unnötig. Genauso wie die Story um die königliche Prinzessin Mary (Kate Phillips), die eine unglückliche Ehe führt.
Man hat das Gefühl, dass Fellows seine wichtigsten Ideen für eine Staffel 7 hier einbringen wollte, in der auch alle Figuren dann mehr zu tun bekommen hätten.
Allerdings sei auch angemerkt, dass es schon bemerkenswert ist, wie er das Ensemble trotzdem in der Geschichte miteinander verknüpft. Denn keiner der Storyfäden steht für sich, sondern bezieht sich immer auf die Hauptgeschichte.
Natürlich liefern auch alle Schauspieler eine gute Leistung ab. Ohne Mühe schlüpfen sie wieder in Charaktere, keiner wirkt lustlos, auch wenn ihr Part eher klein ist. Gerade zum Beispiel Kevin Doyle darf als hypernervöser Molesly in einer Szene wunderbar die Schau stehlen.
Zudem trifft der Film ohne Probleme den Ton der Serie sehr genau und am Ende geht wohl kein Fan aus dem Kino, der sich nicht unterhalten gefühlt hat.
Ob das ganze nun überhaupt einen künstlerischen Sinn hat, darüber braucht man nicht diskutieren. Der Film ist dazu da, mit einer immer noch populären Marke Geld zu machen. Auch von der Ästhethik her unterscheidet sich der Film wenig von der Serie, was eher für die Qualität des heutigen Fernsehens spricht.
Unterm Strich ist Downton Abbey ein harmloses, unterhaltsames Vergnügen für Eingeweihte, die vielleicht mal in einer großen Gruppe ihren Lieblingslandsitz in Yorkshire besuchen wollen.
Alle anderen werden sich sehr verloren fühlen.