Dass Quentin Tarantino ein Kult-Regisseur ist, darüber braucht man sich nicht streiten; deswegen ist man auch bei jedem neuem Werk von ihm so unglaublich heiß drauf.
Hier wusste man sogar kaum, um was es überhaupt geht und trotzdem sehnte man sich nach dem Starttermin. Der Cast selber machte schon einiges her: Leonardo DiCaprio, Brad Pitt, Margot Robbie, Kurt Russel, Al Pacino und und und. Was soll da schief gehen?
Kurz gesagt - nichts! Denn wenn man weiß, wer der Regisseur ist, kann man sich auch ungefähr darauf gefasst machen, was einen hier erwartet. Trotzdem gibt es auch die eine oder andere Überraschung, bei der sich Herr Tarantino nicht an seine übliche Herangehensweise hält.
Im Hollywood der späten 60er Jahre scheint es so langsam mit der Karriere von Schauspieler Rick Dalton bergab zu gehen. Sein Stuntman und ständiger Begleiter Cliff Booth glaubt das aber nicht und versucht ihn immer wieder zu ermutigen und aufzubauen. Dalton soll nun in einer Western-Serie den Bösewicht spielen und erhält außerdem die Möglichkeit, nach Europa zu gehen und Italo-Western zu drehen.
Dies schmeckt ihm allerdings gar nicht. Frisch in Hollywood und ein aufstrebender Star ist hingegen Sharon Tate. Sie genießt die Hollywood-Boulevards und den Glamour der Traumfabrik. Und so versucht jeder seinen Alltag zu meistern in einem langsam endenden Zeitalter des Kinos.
Man merkt schnell, dass hier eine wirkliche Story nicht so ganz vorhanden ist. Auch wenn man den roten Faden in Form von Rick Dalton hat, so haben doch alle Personen ihre eigene kleine Geschichte. Das mag anfangs interessant, dann vielleicht ermüdend und am Ende absolut schlüssig sein. Tarantino zeigt hier aber etwas ganz wichtiges: seine Liebe zu diesem Hollywood. Mit all seinem Schmutz, Glamour, sterbenden Altstars, aufkommenden Filmwundern, Lastern und Leichtigkeit. Dieser Film ist ein Liebesbrief. Wer das absolut nicht abkann, dem sei schon jetzt gesagt, dass euch dieser Film langweilen wird.
Tarantino fängt diese Zeit absolut perfekt ein: Wenn die einzelnen Kinos abends ihre Leuchtreklame anschalten oder L.A. von Oldtimern befahren wird, die Sonne auf alte Western-Sets scheint und absolut jeder permanent raucht, dann hat das schon eine filmische Romantik an sich, wie ich sie selten sehe. Diese Momentaufnahme ist es, was den Film so sehenswert und liebevoll macht. Jeder hat sein Päckchen zu tragen und muss den glamourösen Alltag bewältigen. So lustig das auch klingen mag, gerade an Rick Dalton merkt man, wie schnell man als ausgedienter Filmstar kaum Zukunft in dieser Zeit hatte. Aussehen und Schauspielkunst war schon damals alles.
Dass Leonardo DiCaprio schauspielen kann, weiß man ja nun. Als Rick Dalton haut er hier auch wieder ordentlich vom Leder. Ich empfehle sehr sich den Film in der original Version anzuschauen. Der texanische Slang, den DiCaprio und Pitt sprechen, unterstreicht die Leistung nochmal. Ebenfalls zeigt Brad Pitt, was er eigentlich so als Schauspieler drauf hat. Das aber auf ganz andere Art und Weise. Wo DiCaprio durch Dialoge im Zusammenspiel mit Mimik überzeugt, macht Pitt dies fast ausschließlich über seine Körpersprache und Mimik. Viel Dialog hat er nicht und trotzdem zeigt er durch die Coolness und Lässigkeit von Cliff Booth, das er mindestens genauso gut ist wie DiCaprio.
Ich möchte dies anhand von zwei Szenen verdeutlichen. Brad Pitts Charakter trifft irgendwann an einem Set auf Bruce Lee und legt sich mit ihm an. Genau hier zeigt Cliff Booth, was für eine coole Sau er ist. Wiederum muss sich Rick Dalton selber motivieren, eine Szene, die er vorher verpatzt hatte, ordentlich zu spielen. Und meine Herren, schauspielert er da alle an die Wand!
Ich glaube, dass war eine der besten Leistungen, die ich dieses Jahr gesehen habe. Denn einen Film im Film so gut darzustellen, ist einfach beeindruckend.
Fast schon unwichtig für die Gesamtstory ist Margot Robbies Charakter Sharon Tate. Wir bewundern sie bei ihrer Ankunft in Hollywood, auf einer Party in der Playboy Mansion und bei einem Besuch im Kino zu ihrem eigenen Film. Es ist beinah schon banal, warum sie im Film solche Szenen bekommt, die fast nichts für den Rest der Geschichte aussagen. Dann wird einem wieder bewusst, dass es eben eine Momentaufnahme dieser Zeit ist und jeder seine eigenen Abenteuer erlebt. Hier zeigt sich dann der Wiederschauwert. Denn Margot Robbies Charakter ist gleichzeitig eine wichtige Figur für die Zeit und Darstellung von Hollywood, als auch eine Überraschung Tarantinos.
Es gibt jede Menge kleine Gastauftritte. Von Tarantinos Lieblingsdarstellern, die auch in den Credits als "The Gang" bezeichnet werden, bis hin zu Leuten, wie dem kürzlich verstorbenen Luke Perry. Jeder passt auch irgendwie. Keiner fühlt sich fehl am Platz an oder hält die Story auf. Alles fügt sich genau so wie es sein soll in diesen Film ein.
Ebenfalls sehr beeindruckt war ich von der Tricktechnik. Tarantino spielt gerne mit seinen Filmen in Form von fiktiven Trailern, Plakaten oder Einstellungen. Hier hat er sich selbst übertroffen und tobt sich so richtig aus. Im Vorfeld gab es jede Menge fiktive Plakate für Filme von Rick Dalton. Innerhalb des Filmes gibt es Trailer und Filmausschnitte für diese fiktiven Werke. Doch nicht nur das. Man hat Margot Robbie und ebenfalls Leonardo DiCaprio digital in alte Filme eingebaut. Wüsste man nicht, dass sie aus unserer Zeit sind, so glaubt man wirklich, dass Leonardo zu dieser Zeit in einer Szene aus The Great Escape mitgespielt hat. Das ist es, was ich an Tarantino so liebe. Er macht keinen Bullshit, sondern ist so detailverliebt, dass es ihm wichtig ist, es echt aussehen zu lassen. Besser kann man den Charme nicht einfangen.
Bei so viel Lob, muss es doch aber auch was zu meckern geben, kann man jetzt sagen. Nunja, ich glaube es kommt wirklich darauf an, ob man ein Hardcore-Tarantino-Fan, Liebhaber alter Hollywoodstreifen oder aber normaler Kinogänger ist. Denn man braucht definitiv Sitzfleisch, um den Film zu sehen. Mag man auch nicht so dialoglastige Filme, findet man hier nicht viel, was einem bei der Stange hält. Die Geschichte um Rick Dalton wird oft durch die Episoden der anderen Figuren unterbrochen. Ebenfalls gibt es Rückblenden und Zeitsprünge.
Ein weiterer Handlungsstreifen, der erst zum eigentlichen Finale wirklich wichtig ist, hätte man theoretisch auch rauslassen können, wenn man wirklich nur die 3 Figuren beleuchten wollte. Ich selber hatte in ca. der Mitte des Filmes die Frage im Kopf, ob hier langsam noch etwas passiert. Schuld daran mögen auch die beiden letzten Werke von Tarantino sein. Denn große Gewaltspitzen sucht man hier sehr lange. Vielmehr hat man hier mehrere kleine denkwürdige Momente, die sich aber fast nur aus Schauspiel und Dialog zeigen. Tarantino zeigt aber schon noch etwas Gewalt, so viel sei verraten.
Einen Vergleich mit seinen anderen Filmen, möchte ich aber eigentlich nicht machen. Wird man wirklich gezwungen, so könnte man am ehesten noch sagen, dass "Jackie Brown" in die Richtung geht.
Once upon a Time in Hollywood ist Quentin Tarantino destilliert. Ein absoluter Liebesbrief an das Hollywood der späten 60er Jahre. Wieder eine unglaublich gute schauspielerische Leistung von Leonardo DiCaprio und Brad Pitt. Eine Momentaufnahme einer alternden Filmindustrie mit sehr viel Dialog und Liebe zum Detail. Man benötigt definitiv Sitzfleisch und wer hier Action und eine geradlinige Story erwartet, ist hier falsch. Für Freunde alter Hollywoodfilme und Tarantino Fans ein absolutes Muss, mit einigen der besten schauspielerischen Szenen in diesem Jahr.
Von mir gibt's eine Empfehlung.