Was ist gruseliger? Das England unter James I. oder eine Einöde im heutigen Norwegen?
Doctor Who beweist mal wieder: zu jeder Zeit gibt es Gründe sich zu fürchten!
Hexenjäger
Ein kleiner Ausflug in die englische Countryside – der Doctor müsste es eigentlich besser wissen, dass das immer der einfachste Weg in ein neues Abenteuer ist. Und es geht auch gleich gut los. Das Team TARDIS stolpert in eine Hexen-Hinrichtung hinein. Bald stellen sie fest, dass selbst für dieses Zeitalter einiges im Argen liegt und mehr dahinter stecken muss als nur Hysterie. Sie geben sich als Hexenjäger aus, was trotzdem nicht ganz ausreicht, um dem Geheimnis auf die Spur zu kommen.
Als dann noch der englische König James I. (oder eingedeutscht Jakob I.) erscheint, wird alles noch schwieriger.
"If I were still a bloke, I could get on with the job and not have to waste time DEFENDING MYSELF!"
The Witchfinders setzt den Mystery-/ Gruseltrend der Staffel fort und lässt die Protagonisten, während sie versuchen, erst einmal schlimmeres zu verhindern, auf eine unheimliche Macht im Hintergrund treffen. Natürlich sind hier keine Hexen am Werk, sondern eben Aliens (ja, wer hätte es gedacht). Das wird aber schön langsam aufgebaut und die unheimliche Atmosphäre der kahlen Landschaft und der verdorbenen Herzen genüsslich ausgekostet.
Zum ersten Mal wird auch das Frausein des Doctors als Teil der Handlung stärker eingebunden. Was zuvor nur nebensächliche Kommentare oder lustige Anmerkungen wert war, stellt sich nun als echtes Hindernis heraus. Als Frau in einer Zeit der Hexenjagd war man eben immer im Nachteil, was der Doctor zu spüren bekommt und sie dementsprechend auch verärgert.
Dass es acht Folgen gedauert hat, bis es zu sowas kommt, spricht für das Anliegen der Serienmacher, das neue Geschlecht des Doctors innerhalb der Erzählung eben nicht an die große Glocke zu hängen. Sich dem ganz zu entziehen, wäre aber auch unangemessen und so muss der Doctor einiges mehr aufbringen, um das ganze zu einer Lösung zu bringen.
Auf jeden Fall sollte man nicht gegen sie im Schwimmen antreten, wie wir nun wissen.
Insgesamt dreht sich aber die Folge nicht allzu sehr um die Unterdrückung von Frauen, sondern verknüpft hier historische Begebenheiten mit persönlichen Schicksalen – plus einiger furchteinflößender Aliens.
»Wer seid ihr, mein nubischer Prinz?«
Neben der aus Downton Abbey bekannten Siobhan Finneran trumpft hier vor allem Alan Cumming (X-Men 2, The Good Wife) als König James auf. James, dessen Homosexualität historisch doch recht gut belegt ist, wird von Cumming zwar auch so gespielt, aber eben nicht übertrieben oder despektierlich (Ralf König bezeichnete den Monarchen in seinem Meisterwerk Jago als "[...] schwul und karrieregeil, aufgeblasen und abergläubisch, eben eine richtige, blöde Tunte." – so drastisch wird es hier nicht). Liebenswert ist er trotzdem nicht und am Ende lernt er auch nichts dazu. Ob es Aliens oder echte Hexen sind, spielt eben für einen Menschen des frühen 17. Jahrhunderts keine Rolle.
Fazit
The Witchfinders ist eine stimmungsvolle und spannende Folge, die einem die Schrecken der Hexenverfolgung aufzeigt, ohne dabei schulmeisterlich zu werden (im Gegensatz dazu, was Internettrolle in ihrem geifernden Trieb eigentlich schon über die ganze Staffel behaupten). Jodie Whittaker darf hier ganzen körperlichen Einsatz zeigen und unterstreicht einmal mehr, wie gut sie in die Rolle passt.
Wer hat Angst vor Norwegen?
Nächster Stop: Norwegen. Inmitten der wunderschönen skandinavischen Landschaft stoßen der Doctor und ihr Team auf ein einsames Haus, das völlig verbarrikadiert ist. In ihm finden sie ein blindes Mädchen namens Hanne, das von ihrem Vater zurückgelassen wurde. Es berichtet von einem Monster, das einen wegbringt – wohin? Und warum können sich die Menschen nicht im Schalfzimmerspiegel sehen?
Das finden die vier zur Abwechslung sehr schnell heraus. Kein Monster, sondern ein Paralleluniversum mit einem Bewusstsein ist es, das für alles verantwortlich ist. Dieser sogenannte Solitract kann zudem Tote wieder herbeibringen. Darunter auch Grace – Grahams Frau, die in der ersten Folge ihr Leben ließ.
Anti-Zonen und Solitracte
It Takes You Away führt einige neue Konzepte in das Doctor Who-Universum ein, darunter die Anti-Zone, ein Gebiet zwischen einzelnen Universen, das nicht besonders freundlich ist, um es milde auszudrücken. Man hüte sich besser vor fleischfressenden Motten!
Wie oben schon erwähnt, spielt der Faktor Grusel/Horror/Mystery eine ganz große Rolle in dieser Staffel. Hier verknüpft man mehrere dieser Genreansätze mit Science Fiction und auch persönlichem Drama. Graham alias Bradley Walsh bekommt endlich eine Folge, die sich hauptsächlich um ihn dreht, auch wenn es zunächst nicht danach aussieht. Seine Szenen gehören auch zu den stärksten der Folge, im Zwiegespräch mit seiner verstorbenen Frau geht es um Schuld und Einsamkeit und das Akzeptieren des Schicksals, auch wenn es schwer fällt.
Der große Genremix will sich insgesamt aber nicht ganz so harmonisch zusammensetzen. Das liegt vor allem auch an zu vielen Nebenfiguren. Die norwegische Familie bekommt zu wenig Zeit, um sich zu etablieren und letztendlich geht es um das gleiche Schicksal, das auch Graham erleidet. Die Dopplung ist unnötig, bzw. nimmt Zeit weg, die man mit Graham und Grace besser verbracht hätte – oder mit dem Doctor und dem Solitract.
Hier ergibt sich am Ende eine absurde und dennoch interessante Szenerie, die durchaus hätte länger andauern können. Allerdings wurde am Anfang schon zu viel Zeit für das Aufspüren und die mysteriöse Reise durch die Anti-Zone verbraucht. Tatsächlich wäre man bei näherer Betrachtung mit einer Doppelfolge besser gefahren. Teil 1 hätte sich mehr um den Grusel drehen können und Teil 2 mehr um das persönliche Schicksal.
Angemerkt sei, dass mit Ellie Wallwork eine Schauspielerin verpflichtet wurde, die selber blind ist, was der Figur viel mehr Eindrücklichkeit verleiht. Solch ein Casting kommt selten vor, von daher Hut ab vor der Wahl der Produzenten.
Fazit
It Takes You Away hat viele gute Ansätze und einige sehr interessante Szenen, die aber leider zu kurz kommen. Keine schlechte Folge an sich, aber viel ungenutztes Potenzial.