Der Doctor ist wieder da!
Nee, Moment... Die Doctor! ...
Die Doctorin...?
Arme deutsche Synchronisation...
Aber taugen denn die neuen Geschichten was?
Auf die Erde gefallen
Nach der Regeneration in der Weihnachtsfolge Twice Upon a Time hat uns die Serie mit einem gewaltigen Cliffhanger (wohl eher Cliff-Faller...) zurückgelassen. Die TARDIS explodiert von innen und die Doctor stürzt im freien Fall aus dem Orbit auf die Erde...
Während all dies passiert, haben mehrere Menschen in Sheffield ganz andere Probleme. Da ist z.B. Ryan, der unter einer Koordinationsstörung leidet und als junger Erwachsener das Fahrradfahren erlernen muss – unterstützt von seiner geduldigen Großmutter Grace. Als er frustriert sein Rad einen Abhang hinabwirft, begegnet er bei der Suche einem seltsamen Objekt, das offenbar aus einer anderen Welt stammt.
Die Polizeischülerin Yaz sehnt sich dagegen nach etwas Action – schneller, als sie es sich wahrscheinlich wünschen würde, wird sie mit in diesen Fall der außeriridischen Art hineingezogen.
Grace' Ehemann Graham gesellt sich ebenfalls hinzu. Nur knapp entkommen alle dem Angriff eines seltsamen Tentakelwesens. Als dieses verschwindet, bleibt eine Frau zurück, die irgendwie leicht verwirrt erscheint und unter Gedächtnisstörungen leidet. Dafür scheint sie aber sehr viel über außerirdische Dinge zu wissen.
Ihre Kenntnisse sind auch notwendig, denn das Tentakelwesen ist nicht das einzige, dass die Menschen hier bedroht...
"I'm looking for a Doctor..."
Es hat Sinn, die ersten beiden Folgen zusammen zu rezensieren, denn sie schließen direkt aneinander an, sowohl zeitlich, als auch in der Geschichte der neuen Doctor (ich weiß, dass das beim Lesen komisch klingt, aber man muss sich ja auch auf eine Variante festlegen).
Das bekannte "ich-muss-erstmal-zu-mir-selber-finden"-Schema zieht sich durch jeden neuen Auftritt eines Doctors, hier braucht es auch zwei Folgen, weil die Aufmerksamkeit zunächst den neuen Companions gilt. Es sind gleich drei an der Zahl (sogar eigentlich eher vier) und jeder bekommt genug Zeit, um vorgestellt zu werden.
Insofern verwundert es auch nicht, dass die erste Folge ganz ohne Intro auskommt. Man wird mitten in die Geschichte geworfen und so wie die Doctor erst einmal zu sich finden muss, so werden auch wir als Zuschauer erst langsam in die Neuerungen der Staffel eingeführt.
Die Probleme sind mannigfaltig: Die TARDIS ist weg, das Gedächtnis will noch nicht ganz wiederkehren, selbst der Sonic Screwdriver ist irgendwo beim Sturz verlorengegangen. Hier demonstriert die Doctor gleich ihren Erfindungsreichtum und baut sich einen Screwdriver aus vorhandenen Materialien, darunter ein Alien-Kristall und guter Sheffield-Stahl.
Was aber deutlich erkennbar ist – womit wir auch bei dem Punkt wären, der mit der meisten Spannung erwartet wurde – ist der Charakter der Doctor. Jodie Whittaker schafft es mühelos, dass die Zuschauer ihren Time Lord (nunmehr Time Lady) klar erkennen. Weniger grummelig als der 12., aber auch nicht so albern verspielt wie der 11. Doctor, erinnert sie im Grunde mehr an Christopher Ecclestons Interpretation.
Sie ist bestimmend, lässt aber alle zu Wort kommen; rechthaberisch, gesteht aber auch Fehler ein; heldenmutig, aber mit Sorge um die anderen; gegen Gewalt, aber mit vollem Einsatz dabei.
Whittaker erfüllt die Erwartungen, die man an sie stellt und beweist endgültig, dass der Doctor nicht an ein Geschlecht gebunden sein muss. Wo sie dabei ist, bestimmt sie die Szene und das ist auch gut so.
Dabei stehen ihr ihre Companions in nichts nach. Tatsächlich überraschen diese durch den Tatendrang, mit dem alle der Doctor beiseite stehen. Da hatten andere Companions deutlich mehr Zweifel zu Beginn.
Natürlich wird dies auch durch Zwangslagen innerhalb der Geschichte begründet, dennoch muss man anerkennen, dass Hauptautor Chris Chibnall es schafft, jedem Companion gleich viel Aufmerksamkeit zu widmen. Natürlich geschieht dies nicht so erschöpfend wie den Vorgängern, die allein mit dem Doctor klarkommen mussten. Dies lässt auf der anderen Seite aber genug Spielraum, um die Charaktere in weiteren Folgen genauer zu erkunden.
"I can bring you home!"
Die zweite Folge "The Ghost Monument" schließt ohne Zögern an die erste an, die Companions erleben ihr erstes Abenteuer auf einem fremden Planeten. Sie werden in eine Art galaktische Rallye hineingezogen, als sie sich auf die Suche nach der TARDIS machen.
Diese Folge ist eher auf Action und Spannung ausgelegt, als darauf, die Charaktere genauer zu erforschen. Vielmehr wird gezeigt, wie sie sich in einer Extremsituation verhalten und wie sich die Bindung an die Doctor verstärkt.
Diese Art von Geschichte erinnert an viele "zweite Folgen" von neuen Doctoren und auch hier gelingt es wie in Folge 1 die Zuschauer zu fesseln. Gleichzeitig werden Spuren für einen größeren Storybogen der Staffel ausgelegt, denn nicht alle Umstände, wie und warum die Doctor in Sheffield landete, sind bis zu diesem Zeitpunkt klar. So wird man wohl mit der Auflösung bis zum Staffelfinale warten – etwas anderes hat man vom Schöpfer von Broadchurch auch nicht erwartet.
Erst ganz am Ende der zweiten Episode betreten wir dann die neue TARDIS, die sehr deutlich umdekoriert wurde, um in der Doctor Who-Fachsprache zu bleiben.
Ein Schritt zur Seite und nach vorn
Von Anfang an wird deutlich, dass hier ein neues Produzententeam am Werk ist. Der ohnehin immer hochwertiger werdende Look der Serie erfährt nochmals ein Upgrade. Epische Weiten bei vielen Kameraeinstellungen (inkl. eines breiteren 2:1-Bildformates), eine sehr konstrastreiche Optik (sowohl in der Helligkeit als auch bei den Farben) und sehr teuer aussehende Spezialeffekte vermitteln das Gefühl, dass Doctor Who in Zeiten von Game of Thrones, Star Trek: Discovery oder Stranger Things visuell nicht zurückfallen will.
Auch der TARDIS-Kontrollraum spiegelt dies deutlich wider. Hier sitzt man eindeutig in einem Alien-Raumschiff, es gibt vertraute Elemente (und auch ein wenig Verspieltheit), aber es geht darum, Aufbruch und Neuanfang zu vermitteln und zugleich das Geheimnisvolle der Time Lord-Technologie hervorzuheben.
Das schlägt sich auch im generellen Ton der Geschichten nieder. Es wird viel auf Spannung und durchaus gruselige, bis fast Horrormäßige Elemente gesetzt. Der Gegner aus "The Woman Who Fell to Earth" gehört dank eines einzigen Gestaltungselementes mit zum widerlichsten, was man in der Serie bisher gesehen hat.
Hier erinnert vieles wohl nicht zufällig an die goldenen Ära des 4. Doctors in den 70ern. Dort setzte man ebenfalls auf eine Art Gothic Horror im Weltraum. Wenn die beiden ersten Folgen ein Indikator sind, ist es wohl diese Richtung, für die sich Chibnall entschieden hat. Wiederum wahrscheinlich keine zu große Überraschung, schließlich hatte er bereits bei Torchwood ein deutlich erwachseneres Publikum angesprochen.
Fazit
Die neue Staffel von Doctor Who beginnt vielversprechend. Wenn nach acht Jahren die kreative Führung wechselt, ist klar, dass nicht gekleckert, sondern geklotzt werden muss. Das ist nachvollziehbar und wird eindrucksvoll unter Beweis gestellt.
Die ersten beiden Folgen enthalten eigentlich alle Elemente, die man an der Serie schätzt, die einen mitfiebern, mitlachen und auch mittrauern lassen. Der düstere Ton wird von Anfang bis Ende durchgezogen, allerdings kommt dadurch (bislang) der Humor etwas zu kurz und beschränkt sich eher auf schnippische Kommentare. Es wird interessant zu sehen sein, wie oder ob sich das im Laufe der Staffel noch entwickeln wird, dennoch kann man auch nicht behaupten, dass es der neuen Staffel schadet.
Das Spannungslevel wird deutlich hochgefahren – das Gefühl, dass doch nicht alles glattgehen könnte, ist immer präsent. Das ist einer der Stärken der bisherigen Folgen.
Die andere ist Jodie Whittaker. Sie übernimmt die Hauptrolle mit einer Entschlossenheit, die richtig Spaß macht. Sie ist the Doctor (einigen wir uns darauf?), sie gibt den Zuschauern ein heimisches Gefühl, was ihren Charakter angeh. Zugleich ist man gespannt auf die Herausforderungen, die auf diese Inkarnation des Doctors warten.
Und für die deutschen Zuschauer der Originalfassung wird auch der Yorkshire-Akzent der Helden mit der Zeit auch immer verständlicher...
Doctor Who kommt gut aus den Startlöchern. Hoffen wir, dass das Tempo bis zum Ende durchgehalten werden kann.