In den Jahren 1997 bis 2003 erschien der Manga "BLAME!" von Tsutomu Nihei, welcher als zehnbändige Reihe von 2001 bis 2004 erschien. Abgerundet wurde die Reihe mit dem einbändigen Prequel "NOISE!".
Schon damals galt der Manga als Geheimtipp und hat das Potenzial zum Kultstatus. Im englischen Sprachraum wird seit 2016 die dritte Auflage verlegt und Gerüchten zufolge wird noch diesen Sommer "BLAME!" auch wieder auf Deutsch erhältlich sein.
Jetzt gibt es "BLAME!" als einen "Netflix Original"-Anime. Kann dieser Film die düstere Atmosphäre den Mangas einfangen, der nahezu fast ohne Dialoge auskommt?
Eine Welt der Maschinen
Wir sind in einer fernen Zukunft. Die Erde ist inzwischen in eine sogenannte Megastrukur umgebaut worden, die tausende von Ebenen umfasst. Gebaut wird sie von den Konstrukteuren, riesigen Maschinen, die unkontrolliert weiterbauen. Früher konnten Menschen den Maschinen Befehle geben, doch ein Virus hat das sogenannte Netzwerkgen zerstört, so dass eine Kommunikation nicht mehr möglich ist. Menschen, die kein Netzwerkgen besitzen, werden von den Maschinen sogar als illegales Leben angesehen und von der Schutzwehr gnadenlos gejagt und getötet.
Im Film steht der Stamm der Elektrofischer im Vordergrund. Zentrale Figur ist Zuru, eine junge Dame, die quasi noch ein Kind ist. Die Elektrofischer ernähren sich von Schlamm, den sie aus alten Leitungen abzapfen. Geschützt werden die Menschen von einer Barriere, die es den Killerrobotern der Schutzwehr nicht erlaubt weiter vorzurücken. So können die Elektrofischer unbehelligt von den Gefahren der Megastruktur überleben.
Doch die Schlammleitungen in der Umgebung sind versiegt und die Stammesangehörigen müssen immer weiter ausziehen. Zuru hat sich mit fünf anderen Kindern die Ausrüstung der Elektrofischer geschnappt und ist mit ihnen heimlich auf die Suche nach einer Nahrungsquelle gegangen. Die Rüstung ist eher eine Art Verkleidung, so dass die Menschen für die Sensoren der Maschinen auf Entfernung wie andere Maschinen wirken. Die Bewaffnung ist besteht aus Pfeilgewehren, die nur auf kurzer Distanz effektiv genug sind, um Schutzwehreinheiten auszuschalten.
Auf der Entdeckungstour kommt es jedoch, wie es kommen musste. Die Kinder werden von einer Einheit der Schutzwehr entdeckt und angegriffen. Es gibt die ersten Verluste und Zuru muss vor den Killerrobotern fliehen.
Während sie wegläuft, trifft sie auf einen Fremden, der eine Waffe zieht und sie in ihre Richtung abfeuert, woraufhin sämtliche Killerroboter der Schutzwehr hinter ihr pulverisiert werden und die Megastruktur große Schäden aufweist. Der Fremde stellt sich als Killy vor. Und er sagt er sei ein Mensch, der bereits mehrere tausend Ebenen durchwandert hat, um einen Menschen mit dem Netzwerkgen zu finden. Denn das Gen würde die Menschheit retten...
Der einsame Wanderer
Natürlich ist die Story an dieser Stelle nicht zu Ende, sondern beginnt erst. Wie auch in der Manga-Vorlage ist Killy im Anime sehr schweigsam. Er sagt nur das Nötigste, sofern es sich nicht vermeiden lässt. Sämtliche Interaktion läuft über den Stamm der Elektrofischer.
Der Film nimmt nur eine der vielen Stories der Mangaserie zum Thema. Einerseits ist es schade, da dadurch viele Facetten der Originalgeschichte verloren gehen. Auf der anderen Seite haben sich die Macher so auf eine einzelne Geschichte konzentrieren können. Dadurch ist die Story komplexer als im Original und bietet mehr Möglichkeiten, die einzelnen Charaktere in den Vordergrund zu stellen.
Während im Original Killy die Hauptperson ist, stehen im Anime die Elektrofischer im Vordergrund. Killy selbst ist zwar ein wichtiger Akteur der Geschichte, bleibt aber die ganze Zeit über ein Mysterium. Auch im Manga bleibt die wahre Herkunft von Killy bis zum Schluss im Schatten.
"BLAME!" zeigt dem Zuschauer eine düstere Welt aus Stahl und Tod. Alles außerhalb der Siedlung wirkt klinisch sauber und künstlich. Leben gibt es keins, nur Maschinen. "BLAME!" ist somit eine der düstersten Cyberpunkt-Szenarien, die in der gezeichneten Welt zu finden ist.
Wie auch im Manga ist die Trostlosigkeit der Umgebung gut umgesetzt. Auch die Einheiten der Schutzwehr wirken furchteinflößend. Besitzen sie doch ein menschliches Gesicht, was nur grausame, emotionslose Kälte ausstrahlt. Auf ihren vier Gliedmaßen wirken die Schwärme der Killer wie eine verheerende Schar von Spinnen, die die Urängste eines jeden Menschen wecken kann.
Auch die Charaktere wirken verhärmt und desillusioniert. Alle sind nur auf das Überleben ausgerichtet. Verluste in den eigenen Reihen werden zunächst hingenommen. Erst wenn das Überleben gesichert ist und Zeit vorhanden, wird sich eine Minute der Trauer zugestanden. Selbst die Kinder der Elektrofischer sind wenig kindlich und pragmatische Überlebenskünstler, die nur selten Emotionen zeigen.
Die Menschmaschine
Neben der gelungenen Atmosphäre ist den Machern des Films noch etwas anderes gelungen. Auf einer subtilen Ebene steht die Frage im Raum, ob es wirklich immer gut ist alles den Maschinen, den Computern, der Technik zu überlassen. Anders als z.B. bei "Ghost in the Shell" wird das Thema aber nicht direkt angesprochen. Der Zuschauer wird einfach vor die Vision gesetzt, was passieren könnte. In langgezogenen Szenen wird eine Zukunftsvision gezeigt, die schrecklich, kalt und tot ist. Dadurch zieht sich der Film an einigen Stellen etwas, vor allem, wenn man auf klassisches Popcornkino aus ist.
Auf der anderen Seite gibt es ausreichend Action. Die Elektrofischer müssen sich sich regelmäßig gegen die Schutzwehr behaupten. Meistens sind die Situationen brenzlig und es gibt teilweise verheerende Situationen. Hier ziehen die Filmmacher die Verhaltensweisen der einzelnen Charaktere in den Vordergrund. Die Fischer werden sehr menschlich dargestellt, während die Schutzwehr und auch Killy mit tödlicher Präzision arbeiten.
Insgesamt ist das Werk sehr bildgewaltig und ist somit eine würdige Umsetzung eines Mangas, der nur wenig Text hat.
Fazit
"BLAME!" ist auf jeden Fall ein Muss für Anime-Fans. Diejenigen, die den Manga gelesen haben, sollten sich den Film ebenfalls anschauen, da er die Geschichte um die Elektrofischer aus einer anderen Perspektive erzählt als die Vorlage. Wer Popcornkino sucht, ist mit dem Film weniger beraten, da er einiges an Tiefgründigkeit in den Raum stellt, ohne sie direkt zu benennen.