Fast anderthalb Jahre. So lange mussten Fans noch nie warten, bis eine neue Staffel des beliebten Time Lords zu sehen war – zumindest seit dem Neustart 2005. Zugleich ist dies Peter Capaldis letzte Season als Doctor, die aber auch eine Art Neubeginn darstellen soll. Eine neue Begleiterin namens Bill wird eingeführt, alles soll etwas leichter und auch "klassischer" im Doctor Who-Sinne daherkommen. Funktioniert das?
"Nerdzig glotzt" startete, als die 10. Staffel schon lief. Deshalb gibt es an dieser Stelle gleich eine Rezension von vier Folgen. Danach gibt es jede Woche eine neue.
Waren Staffel 8 und vor allem Staffel 9 noch eher von Düsternis und einem Doctor geprägt, der mit inneren Konflikten zu kämpfen hatte, ging der Trend seit dem grandiosen Weihnachtsspecial 2015 "The Husbands of River Song" deutlich in Richtung mehr Humor, mehr Freude am Mysteriösen und mehr Entspanntheit auf Seiten des Doctors. Seit dem Weggang von Companion Clara Oswald schien ihm eine Last abgenommen. Etwas, was auch durchaus zuvor in der Serie thematisiert wurde.
Der Doctor ist also bereit für etwas neues. Aber warum unterrichtet er nun an einer Universität?
Ep. 1 "The Pilot"
Schelmischerweise kann der Titel der Folge dazu verleiten, dass es sich hier um eine ganz neue Serie handelt. Tatsächlich ist es aber eine Anspielung darauf, dass man mit Staffel 10 neuen Zuschauern den Einstieg ermöglichen will.
Wer bisher noch keine Ahnung von "Doctor Who" hatte, kann problemlos mit dieser Folge anfangen. Sie wird komplett aus der Sicht von Bill Potts (Pearl Mackie) erzählt. Sie lernt den Doctor als Dozent an einer Uni kennen. Sie ist aber keine Studentin, sondern arbeitet in der Kantine. Trotzdem schleicht sie sich in die Vorlesungen des Doctors, dem sie dort sofort auffällt. Er nimmt sie unter seine persönliche Fittiche. Vielleicht weil er etwas ahnt?
Der Plot dreht sich um eine Studentin, zu der sich Bill hingezogen fühlt (ja, Bill ist lesbisch, was allerdings keine große Rolle spielt) und die dann eines Tages verschwindet, als sie eine seltsame Pfütze findet, die natürlich keine Pfütze ist...
So setzen sich die Dinge in Gang, die Bill schließlich in die TARDIS führen.
"The Pilot" ist ein sehr guter Einstieg in die neue Staffel. Zum einen hat man mit Bill eine sympathische und vor allem zugängliche Figur geschaffen, die nicht wie die bisherigen Companions der Steven Moffat-Ära mit einem großen kosmischen Geheimnis oder einer Bestimmung ausgestattet ist, sondern einfach eine schlaue junge Frau aus unserem Alltag ist. Entsprechend stellt sie dem Doctor auch Fragen, die das Whoniverse aufs Korn nehmen (z.B. "Warum ist TARDIS eine englische Abkürzung, wenn das ein außerirdisches Raumschiff ist?").
Besonders schön ist auch ihr erstes Mal, als sie die TARDIS betritt. Weil die Polizeibox an der Wand steht, denkt sie, hier sei ein Durchbruch... in eine richtig genial ausgestattete Küche!
Gleichzeitig ist die Folge voll von Easter Eggs für gestandene Fans (alleine der Schreibtisch des Doctors...), so dass alle ihren Spaß daran haben können. Der Doctor gibt einen Super Crash Kurs in seine Welt (inkl. Daleks) und es gibt ein Finale fürs Herz.
Capaldi scheint sich nun endlich richtig in die Rolle eingefunden zu haben. Die Lockerung seines Charakters, verbunden mit der bekannten Ernsthaftigkeit ergibt eine sehr gute Mischung. Er darf sarkastische Kommentare geben, strahlt in den ernsten Momente aber eine gewisse Autorität und Schwere aus, die seinen direkten Vorgängern in solchen Situationen abging.
Ach, wir möchten auch Matt Lucas ("Little Britain") als Nardole nicht vergessen. Er ist in dieser Staffel fest im Ensemble als verschrobener Assistent des Doctors dabei. Er hat zwar nicht in allen Folgen eine größere Rolle, tritt aber in allen zumindest mit ein paar guten Dialogen auf.
Und dann ist da noch dieser geheimnisvolle, riesige Tresor im Keller der Uni, der mit gallifreyischen Schriftzeichen übersät ist. Und ein nicht näher erklärter Eid des Doctors, nicht wieder durch die Zeit zu reisen. Mit jeder Folge wird dieses staffelumspannende Rätsel etwas weiter gelüftet.
Ein sehr guter Auftakt, der Lust auf mehr macht.
Ep. 2 "Smile"
Der Doctor nimmt Bill auf ihre erste große Reise mit der TARDIS. Sie landen auf einem unbewohnten Planeten, auf dem ein großer Bau, nur bevölkert von Robotern, steht. Die leeren Hallen, gebaut von intelligenten Nanobots, warten anscheinend auf bald ankommende Erdkolonisten. Doch etwas stimmt hier nicht. Skelettreste tauchen auf und die niedlich wirkenden Roboter, die über Emojis kommunizieren, scheinen auch nicht ganz koscher. Also, immer schön lächeln! :)
Fast schon klassisch: Der Doctor nimmt seine Begleitung bei ihrer ersten, richtigen Reise mit der TARDIS auf einen Trip weit weg von ihrer Zeit und der Erde mit. Die beiden sind quasi alleine auf dem fremden Planeten, daher kann sich das neue Duo auch sehr gut hier austoben.
Bill zeigt, dass sie mehr drauf hat, als nur über das Wunder der Zeit- und Weltraumreise zu staunen. Ihre Bodenständigkeit ist dem Doctor eine große Hilfe, während er bei der Lösung des Problems wieder mal seine Improvisationskünste und auch seine Fehlbarkeit zeigen darf.
Alles in allem eine kurzweilige Folge, in der neben dem Grusel auch der Humor nicht zu kurz kommt ("Die Menschen sind die einzige Spezies, die über Emojis kommunizieren"). Großartig ist auch die Kulisse. Hier hat man die Produktion extra nach Valencia gelegt, um in der atemberaubenden Ciutat de les Arts i les Ciències zu drehen. Die Folge baut das Verhältnis von Bill und dem Doctor weiter aus, die sich als gutes Team erweisen.
Ep. 3 "Thin Ice"
Diese Folge schließt direkt an die vorangegangene an; dank des Eigensinns der TARDIS ("She's a bad girl, always looking for trouble.") verschlägt es den Doctor und Bill in das winterliche London des Jahres 1814. Es ist so kalt, dass die Themse zugefroren ist. Und was machen die Menschen in diesem Fall? Richtig, einen Rummel auf dem Eis. Diese "Frost Fairs" gab es wirklich, aber bald stellt sich heraus, dass unter dem Eis anscheinend etwas lebt, das nicht dahin gehört – aber eben auch etwas essen muss.
"Thin Ice" ist nicht nur die beste Folge der bisherigen Staffel, sondern auch einer der besten der Capaldi-Ära überhaupt. Stimmungsvolle Sets, großartige Kostüme, tolle Charaktermomente und eine sehr runde Geschichte machen richtig Spaß. Bill und der Doctor vertiefen weiter ihre Beziehung, auch wenn es dabei einmal unangenehm wird und Capaldi bekommt sowohl eine eindrucksvolle Rede als auch eine "Action"-Szene, die richtig reinhaut – im wahrsten Sinne. Selbst das Thema Rassismus findet hier Eingang.
Diese Episode beinhaltet so ziemlich alles, was Doctor Who ausmacht. Der Doctor und Bill wachsen weiter zusammen, hier scheint die Mischung wirklich zu stimmen.
Ep. 4 "Knock Knock"
Bill sucht mit ihren Studentenfreunden eine bezahl- und bewohnbare WG. Doch nichts findet sich. Da taucht ein etwas seltsam wirkender älterer Herr auf, der den sechsen anbietet, in sein Haus, das eigentlich ein kleines Schloss ist, einzuziehen. Die günstige Miete lässt sie über die Nachteile des alten Gebäudes hinwegsehen. Bill zieht ein, der Doctor hilft ihr dabei (die TARDIS erweist sich als toller Möbelwagen) und gleich schöpft er Verdacht.
Das immerwährend knarzende Holz des riesigen Hauses sorgt alleine schon für Unruhe, dann kommen seltsame Trappelgeräusche hinzu. Ein WG-Bewohner geht dem nach. Ein Schrei ist das letzte, was wir von ihm hören...
Diese Folge ist leider die bislang schwächste der Staffel. Während es wieder einige schöne Charaktermomente zwischen Bill und dem Doctor gibt – sie stellt ihn als ihren Großvater vor und scheint insgesamt etwas peinlich berührt zu sein, dass ihre Freunde ihn kennenlernen (die wiederum mögen ihn!) – bleibt der Spannungsbogen auf der Strecke.
Gothic Horror und Doctor Who mischen sich eigentlich immer gut. Ein gruseliges altes Haus, ein geheimnisvoller Vermieter und ein wenig Science Fiction. Die Zutaten sind eigentlich vorhanden und die britische Schauspiellegende David Suchet macht als Vermieter eine gute Figur, aber der Spannungsaufbau durch Gruselmomente kommt zu kurz. Die Auflösung ist zu schnell da und das Finale mit dem kleinen Twist kommt nicht richtig zur Geltung. Hier wäre eine Doppelfolge angebrachter gewesen, nicht zuletzt, um Bills Freunde besser kennenzulernen. Man ist nicht wirklich betroffen, wenn sie in Gefahr sind. Hier hätte man eine Episode zum Aufbau der Bedrohung und eine zur Überwindung derselben nutzen können.
Am Ende erfährt immerhin etwas mehr zum geheimnisvollen Tresor, den der Doctor bewacht.
So weit, so gut
Die zehnte Staffel begeistert bislang. Man sieht einen spielfreudigen Peter Capaldi, dessen Doctor mehr sein darf als der grantige Brödler zu Beginn seiner Ära. Es ist daher natürlich umso bedauerlicher, dass er nun nach dieser Staffel abtritt, aber so wird dieser Abschied hoffentlich umso bedeutender. Zumindest hält er so das Interesse daran klein, wer denn nun sein Nachfolger (oder Nachfolgerin) wird.
Pearl Mackie als Bill ist eine echte Entdeckung. Eine gute Mischung aus Herz, Verstand, ironischer Distanz, aber auch voller Einsatz im Tandem mit dem Doctor macht sie zu einem wirklich guten Companion. Soweit es bekannt ist, hat sie nur einen Vertrag für diese Staffel. Es wäre sicherlich interessant zu sehen, ob sie auch mit dem nächsten Doctor gut zusammenwirken würde.
In vielerlei Hinsicht erinnert die Staffel sogar mehr an die David Tennant-Ära. Viele interessante, unterschiedliche Abenteuer, die nicht sofort etwas mit dem großen Handlungsbogen zu tun haben, letzteren aber trotzdem nicht außer Acht lassen. Denn nicht nur der Tresor, auch Bills Mutter scheint noch eine Rolle zu spielen.
Die Spannung steigert sich, besonders wenn man weiß, wer noch alles in dieser Season auftreten wird. Mittlerweile ist bestätigt, dass sowohl Michelle Gomez, als auch John Simm als Missy, bzw. Master zurückkehren. Simm kennt man als Gegner des zehnten Doctors. Wie sich die Rückkehr gestaltet, wird also interessant.
Die nächste Folge "Oxygen" geht wohl in Richtung "Zombies im Weltraum". Kein unbekanntes Thema für Doctor Who. Mehr dazu in einer Woche.
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