Die Guardians of the Galaxy sind zurück! War der erste Teil der überraschende Überflieger aus dem Marvel-Universum, hat der zweite nun die schwere Aufgabe, dies nach Möglichkeit noch zu übertreffen – und natürlich das Publikum auch schon ein wenig auf 2018 heiß zu machen, wenn die Guardians auf die Avengers treffen werden.
Wie schlägt sich "Vol. 2"? Wir sagen es euch ohne Spoiler.
Familienprobleme
Die Story des ersten "Guardians of the Galaxy"-Films war recht einfach gehalten. In klassischer MacGuffin-Manier waren alle hinter einem Objekt, einem Infinity-Stein, her. Jeder verfolgte seine eigenen Ziele, nur waren sowohl die guten als auch die bösen Charaktere gezwungen, neue Allianzen einzugehen, um ihr Ziel zu erreichen. Das war auch nicht wirklich der Punkt. Vielmehr ging es darum, möglichst viele charmant-lustige Figuren in aussichtlos-witzige Situationen zu bringen, aus denen sie irgendwie wieder rauskommen mussten.
Dieses Rezept hat man auch im zweiten Teil beibehalten. Statt eines abstrakten Objektes (das nur für den großen Handlungsbogen des Marvel Cinematic Universe interessant ist) legt man den Fokus noch mehr auf die Charaktere. Ausgangspunkt ist Peter Quill alias Starlord (Chris Pratt), der nun auf seinen Vater trifft, das extrem mächtige Wesen Ego (gespielt von Kurt Russel), dessen Absichten nicht ganz durchschaubar sind.
Nach einem mehr oder weniger erfolgreichen Auftrag auf dem Planeten Sovereign erhalten die Guardians als Belohnung Nebula zurück, um sie nach Xandar zu bringen und das Kopfgeld zu kassieren. Da Rocket aber genau die Energiequelle klaut, die die Guardians zuvor beschützen sollten, ist nun die Flotte der Sovereign hinter ihnen her und natürlich noch ein paar mehr Leute. Unterwegs treffen sie aber Ego, der einen Teil der Guardians auf seinen Planeten mitnimmt.
Um diesen Hauptplot herum entwickeln sich die Nebenhandlungen mit den anderen Guardians-Charakteren. Grundthema bleibt aber Familienzugehörigkeit, bzw. verlorene Familie. Gamora (Zoe Saldana) muss ihre Beziehung zu Schwester und Bösewicht Nebula (Karen Gillan) hinterfragen, während selbige Rache an ihrem Vater Thanos üben will; Drax (Dave Bautista) trauert noch seiner verlorenen Frau und Kinder hinterher (freut sich aber Teil der Guardians zu sein), Rocket weiß nicht, wo er hingehört, will aber seinen Kumpel (und nun mehr Adoptivsohn) Baby Groot beschützen und selbst Ravager-Anführer Yondu (Michael Rooker) steht zwischen den Stühlen, als ihn seine Kumpane bezichtigen, dass er gegenüber Starlord viel zu weichherzig sei.
Nicht alles neu, aber genau so gut
Das alles klingt zusammenfasst nach einer ziemlich verfransten Geschichte. Etwas, was man bei der Anzahl an Charakteren auch durchaus annehmen könnte (und ohne die ganzen Cameos und Kurzauftritte überhaupt zu erwähnen). Das große Kunststück von "Guardians of the Galaxy Vol. 2" ist aber tatsächlich, dies alles in einen stringenten Handlungsablauf einzubetten, bei dem alles direkt miteinander zusammenhängt und am Ende auch alle Teile zur Lösung des Konfliktes beitragen.
Nichts wirkt verschwendet, das einzige was verständlicherweise darunter leidet, ist die Filmlänge. 135 Minuten sind ja mittlerweile gang und gäbe bei Superhelden-Team-Filmen. So kann man auch nicht sagen, dass der Film wirkliche Längen hat, sondern eben viele Handlungsstränge, von denen man auch wissen will, wie sie ausgehen. Auf etwas Überlänge muss man sich dennoch einstellen.
Hauptaugenmerk liegt aber klar auf der Vater-Sohn-Geschichte von Starlord und Ego. Hier wird der Charakter von Peter Quill deutlich ausgebaut und weiterentwickelt. Nicht wenige hatten ja den ersten "Guardians of the Galaxy"-Film als Marvels Star Wars-Variante bezeichnet. Insofern ist es nur folgerichtig, wenn es in "Vol. 2" wie in "Das Imperium schlägt zurück" auch um die Herkunft der Hauptfigur geht und was es für sie bedeutet.
Besonders originell wird es dabei nicht, allerdings ist dies auch nicht so wichtig. Eine der Stärken des MCU ist es, dass hier (durchaus bekannte) Actionplots mit starken Charakter-Momenten verbunden werden. Bei "Guardians of the Galaxy Vol. 2" gelingt dies bei fast allen Figuren und was den meisten Zuschauern am wichtigsten sein wird: Der Humor kommt absolut nicht zu kurz. Nichts wird hier ernst genommen und auch hin und wieder Teile unserer heutige Gesellschaft veralbert (s. die Sovereign-Flotte). Wie im ersten Teil halten sich Gag- und Action-Feuerwerk sehr gut die Waage. Die persönlichen, eher tragischen Momente bekommen auch so mehr Gewicht, da sie deutlich mehr herausstechen.
Dazu gibt es eine Fülle an neuen Charakteren, die es ebenfalls schaffen, im Gedächtnis zu bleiben. Allen voran Mantis (gespielt von Pom Klementieff), die mit ihrer verschrobenen, naiven Art sicher viele Fans gewinnen wird. Dazu kommen noch die Hohepriesterin Ayesha, der Ravager Taserface und natürlich Silvester Stallone als Ravager-Captain. Selbst Baby Groot muss man strenggenommen zu den neuen Figuren zählen, da sein Charakter ein ganz anderer ist (natürlich nicht weniger liebenswert).
Kritik kann man an einigen Stellen an der Action-Inszenierung üben. Die Weltraum-Schlachten und -Verfolgungsjagden sind teilweise so hektisch geschnitten und gefilmt (obwohl man animiert sagen müsste), dass man gar nicht mehr erkennen kann, wer wo ist.
Eine große weite Galaxie der Möglichkeiten
Mit "Guardians of the Galaxy Vol. 2" hat Marvel fast alles erfüllt, was sich die Fans wünschen konnten. Große Überraschungen bleiben aus, dafür wird man mit eindrücklichen Charakter-Momenten entschädigt. An einigen Stellen kommt sicher manches zu kurz, etwa die (Nicht-) Beziehung zwischen Peter Quill und Gamora, die auf die nächsten Filme vertagt wird oder Drax, der von allen Guardians am wenigsten Entwicklung erfährt, im Gegenzug aber einige der lustigsten Szenen und Dialoge bekommt.
Zudem platzt der Film vor Easter Eggs für alle Marvel-Fans. 5 (in Worten Fünf!) Abspannszenen sprechen eine deutliche Sprache. Aber nicht wenige werden erstmal googlen müssen, welchen Charakter man gerade gesehen hat und was er oder sie für eine Vorgeschichte hat.
Das zeigt, dass das Guardians of the Galaxy-Universum tatsächlich sehr viel Potenzial bietet, einen ganz eigenen Franchise aufzubauen, mit dem man sogar mehr neue Fans gewinnen kann, die sonst mit Comics nicht viel am Hut haben. Der Star Wars-Vergleich ist gar nicht so verkehrt. Die Charaktere sind ähnlich wie bei Star Wars Archetypen von (in diesem Fall) Anti-Helden, bieten aber zugleich diese interessante Mischung aus Projektionsfläche und Persönlichkeit, um bei einem breiten Publikum anzukommen. Was bei Star Wars die Macht und das große Schicksal sind, sind bei den Guardians Humor und eine Leck-Mich-Haltung.
Insofern sollte es nicht verwundern, wenn Marvel nach dem Ende des Infinity-Wars das Augenmerk auf seine galaktischen Helden legt. Hier könnte man auf eine richtige Goldader gestoßen sein, die für den Konzern nach dem Ende des Superhelden-Hypes (das sicher früher als später kommen wird) die neue Einnahmequelle bedeuten kann.
Fazit
"Guardians of the Galaxy Vol. 2" ist eine würdige Fortsetzung mit sehr viel Humor, sehr viel Augenschmaus bei der Gestaltung der Welten und der Action – gleichzeitig setzt man alles daran, den sympathischen Anti-Helden mehr Tiefe zu verleihen und so die Bindung zum Publikum zu stärken.
Großes, falsches Pathos wie bei anderen Blockbuster-Franchises wird mit aller Spaß-Härte bekämpft. Ein vergnüglicher Kino-Abend ist garantiert. Selbst für Nicht-Science-Fiction- oder Superhelden-Fans.