Tja, das ist halt Live... Von vielen schon als der verrückteste Oscar-Moment aller Zeiten bezeichnet, hatte die Show in diesem Jahr ein unfreiwillig unvergessliches Finale. Ein vertauschter Umschlag war wohl schuld, dass zuerst "La La Land" als Bester Film verkündet wurde – das korrigierte man kurz darauf. "Moonlight" war der wirkliche Gewinner.
Die Highlights im Rückblick
Fast der Beste Film
Faye Dunaway und Warren Beatty durften anlässlich des 50. Jubiläums ihres Durchbruch-Films "Bonnie und Clyde" den Gewinner des Besten Filmes verkünden
Jeder, der sich ein bisschen mit Statistik auskennt, hätte einem sagen können, dass die Wahrscheinlichkeit für solch einen Lapsus mittlerweile so hoch ist, dass er einfach irgendwann passieren muss. In der 89. Verleihung ist es dann passiert – und dann auch noch bei der Kategorie "Bester Film"!
"La La Land" hatte den Abend über die meisten Trophäen gesammelt. Sechs Stück waren es bereits. Bei 14 Nominierungen (eingestellter Rekord) und vielen, vielen Preisen zuvor war es für viele nur folgerichtig, als Faye Dunaway "La La Land!" rief und die Produzenten ihre Dankesreden hielten. Doch plötzlich sah man im Hintergrund ungewöhnliche Bewegungen. Ein Stage Manager mit Headset drängelte sich in die Gruppe der Darsteller und Crew des Musicals, die sich alle versammelt hatten. Umschläge wurden beäugt und immer wieder umgedreht. Hektik begann sich breit zu machen. Schon kurz davor war es ein bisschen komisch, als Warren Beatty den Umschlag öffnete und den Zettel länger als sonst studierte. Man dachte zunächst einen lauen Gag, um die Spannung zu erhöhen.
Tatsächlich, wie es Beatty wenige Minuten später auf der Bühne erklärte, war er sehr verwundert, den Namen "Emma Stone" zu lesen. Aber anstatt zu sagen, dass jemand zum gegenchecken kommen soll, machte er weiter. Wer kann es ihm auch unbedingt übelnehmen? In der Anspannung des Augenblickes und unter dem Druck, in dem man in diesem Moment auf der Weltbühne steht, wieviele hätten da wirklich so kühl und überlegt reagiert? Und im Nachhinein betrachtet wäre es auch schade gewesen. Stattdessen bekam das Publikum den vielleicht unvergesslichsten Oscar-Moment aller Zeiten beschert.
Lobend darf man hier Jordan Horowitz erwähnen. Der Produzent von "La La Land" übernahm kurzerhand die Leitung auf der Bühne und verkündete den richtigen Gewinner. Und das auch nicht mit geheuchelter Anerkennung, sondern mit Größe und Respekt vor seinen Kollegen. Emma Stone gab im Pressecenter hinterher auch ihre Freude zum Ausdruck, dass "Moonlight" gewonnen hat ("I fucking love Moonlight!") – und dass sie bei diesem verrückten Moment dabei sein durfte.
Moderator Jimmy Kimmel nahm durch seinen schnellen Witz die Anspannung und die peinliche Gefühlslage aus der Situation und am Ende sogar die Schuld auf sich ("Ich wusste, ich würde das versauen!"). Die Emmy-Nominierung für seine Arbeit an diesem Abend dürfte er damit im Sack haben.
Ein vergnüglicher Abend ohne großes politisches Theater
Im Vorfeld war mit Spannung erwartet worden, wie wohl die ganzen Hollywood-Größen die Bühne nutzen würden, um ihre Meinung zu US-Präsident Trump und seiner Politik zu sagen. Am Ende wurde es mit Ausnahmen aber kein explizit politischer Abend, vermutlich auch in dem Wissen, dass hinterher nur Trumps Reaktionen auf Twitter wieder im Fokus stehen würden. Sein Fett bekam er dennoch zur Genüge ab, wenn auch unterschwelliger mit vielen Spitzen und Seitenhieben. Die saßen dafür richtig.
Jimmy Kimmel leitete die Show souverän, mit gutem Timing und seiner typischen Art respektvoll, aber mit Distanz die Dinge zu kommentieren. Absolutes Highlight war seine (gespielte) Feindschaft mit Matt Damon, die seit vielen Jahren Teil seiner Late Night Show ist. Das machte den Abend kurzweilig und es sollte nicht verwundern, wenn er im kommenden Jahr wieder Host sein darf.
Große Tanznummern wie bei Neil Patrick Harris oder Hugh Jackman suchte man vergeblich, dafür viele charmante Momente wie mit Fallschirm von der Decke schwebende Süßigkeiten (Event-Organisatoren auf der ganzen Welt werden das sowas von kopieren) und eine Überraschung für eine Gruppe Touristen, die man unter falschem Vorwand in das Theater lockte. Sie standen plötzlich vor Weltstars und wussten nicht genau, wohin mit sich – von einem Herrn abgesehen, den anscheinend nichts aus der Ruhe bringen konnte. Er wurde auch noch kurzerhand von Denzel Washington mit seiner Verlobten "getraut".
Favoriten gewinnen und wenige Überraschungen
Die Verleihung wäre ohne den Besten Film-Moment am Ende als eine feine, aber auch erwartungsgemäße Show in Erinnerung geblieben. Die Top-Favoriten gewannen in ihren jeweiligen Kategorien. Nur wenige zeigten sich unvorbereitet, wie etwa Coleen Atwood, die für das "Beste Kostümdesign" für "Fantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind" gewann. Es ist bereits ihre vierte Trophäe.
Aus deutscher Sicht hatte "Toni Erdmann" für viel Hoffnung im Vorfeld gesorgt, die Komödie musste aber "The Salesman" aus Iran den Vortritt lassen. Dafür gibt es ein Hollywood-Remake mit Jack Nicholson und Kristen Wiig. Vielleicht hat diese Version dann mehr Glück bei einer zukünftigen Oscar-Verleihung.
Kevin O'Connell mit einer tollen Dankesrede – er hatte ja auch 21-mal Zeit zur Vorbereitung
Freude dagegen in der Abteilung Tonmischung. Kevin O'Connell gewann für "Hacksaw Ridge" seinen ersten Oscar, nachdem er sage und schreibe zuvor 20-mal (!) leer ausgegangen war. Das wurde leider etwas zu wenig hervorgehoben, so wussten vor allem Insider und wohl auch das Publikum im Saal um den besonderen Augenblick, aber wohl nur die wenigsten die Zuschauer zu Hause.
Bei den Darstellern, Regie und Drehbuch gewannen alle favorisierten Nominierten. Alle aber auch verdient.
Mit 32 Jahren der jüngste Gewinner in der Kategorie "Beste Regie": Damien Chazelle
Mahershala Ali, sonst vor allem durch TV-Rollen bekannt, mit seinem Oscar für den "Besten Nebendarsteller" für Moonlight
Zauselfritze Casey Affleck überzeugte als "Bester Hauptdarsteller" in "Manchester by the Sea"
Gab eine kraftvolle, großartige Dankesrede: Viola Davis, Gewinnerin in der Kategorie "Beste Nebendarstellerin"
Emma Stone im perfektionierten klassischen Hollywood-Diva-Look. "Beste Hauptdarstellerin" stand auf ihrem Goldjungen
Wie soll man das toppen?
Alles in allem eine gelungene, ordentliche Veranstaltung, die durch das Missgeschick am Ende (das noch vollständig aufgeklärt werden muss) einen Platz nicht nur in der Oscar-, sondern der ganzen TV-Geschichte sicher hat.
Mit Sicherheit wird man sich bei den kommenden Preisverleihungen und auch bei den Oscars 2018 ordentlich drüber lustig machen. Dass man dies machen kann und die Situation nicht in einem peinlichen, ärgerlichen Moment versunken ist, ist dem souveränen Umgang aller Beteiligten zu verdanken. Dies zeigt auch, dass die Oscars doch nicht so unglaublich ernst genommen werden, wie es Kritiker immer vorwerfen und dass es eine sehr funktionierende Kollegialität unter Filmemachern gibt.
Eine Liste mit allen Gewinnern findet ihr hier: http://www.oscars.org/oscars/ceremonies/2017
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