Ein dystopischer Sci-Fi-Film um Versicherungen, die Freiheit des Menschen und Zweiklassengesellschaften gepaart mit einer glaubhaften Sicht auf die Zukunft der Welt. Die österreichisch-schweizerisch-deutsche Koproduktion zeigt uns eine erschreckende, aber nicht undenkbare Welt.
"Sie wissen, was mit Ihnen geschieht, wenn Sie verschuldet sterben?"
Wien in naher Zukunft. Mittlerweile ist nicht mal mehr der Tod kostenlos. Sogenannte Todesversicherungen sollen das Ableben garantieren. Hat man eine solche Versicherung nicht, so wird man weiterhin künstlich am Leben erhalten und der Körper wird auf andere Art und Weise weiter benutzt. Man fristet ein Dasein als leblose Hülle. Vincent Baumann ist ein Agent einer solchen Versicherungsfirma und lebt nur für den Erfolg und die Karriere. Vollkommen emotionslos versucht er potenzielle Versicherungen abzuschließen und die Karriereleiter aufzusteigen. Als er jedoch auf einen weiteren Mandanten angesetzt wird, dessen Tochter Teil einer Aktivistengruppe ist, die für den freien Tod aller Menschen kämpft, verliert er alles. Er erlebt nun am eigenen Leib, wie es auf der anderen Seite ist. Schnell bemerkt er, dass das System, für das er gearbeitet hat, nicht die Lösung ist.
"Absolute Sicherheit, was ihren Tod betrifft, bringt ihnen einzig und allein eine Todesversicherung!"
Eine dystopische Zukunftsvariante von Wien, die sehr glaubhaft rübergebracht wird. Denn seien wir ehrlich, was ist heutzutage noch umsonst? So weit hergeholt ist dieses Thema nicht und Regisseur Valentin Hitz spielt geradezu mit der Versicherungsmentalität. So sind die Versicherungsmarkler fast schon die wichtigsten Mitglieder der Gesellschaft und der Staat wird letztendlich nur von den Versicherungen regiert.
Ob dies allerdings auch so stimmt, erfährt man leider nicht, da man wenig bis keine Hintergrundinformationen zu der dort herrschenden Lage bekommt. Allerdings gefiel mir diese kalte, fast schon emotionslose Variante der Zukunft. Vieles erinnert an den Hollywood-Film "Equilibrium". Auch hier bekommt Vincent Pillen, die seine Emotionen und Urteilsvermögen stark einschrenken. Alles wird eher durch Messungen und Computerdaten ausgewertet. So ist der Sex mit seiner Vorgesetzten nichts weiter als ledigliche Formsache, die zum Leben dazugehört. Keine Emotion oder Gefühle. Vincent ist der perfekte Mitarbeiter für dieses System.
Auf der anderen Seite, in den unterprivilegierten Wohnvierteln der Stadt Wien, lebt Lisa. Sie ist die Tochter eines wichtigen Mandanten von Vincent und kämpft gegen dieses System. Hier sind alle Emotionen und Gefühle vorhanden. Auch wenn diese Gesellschaft augenscheinlich ärmer lebt, so haben sie doch mehr vom Leben.
"Was treibt Sie an die rückständigen Sektoren, Herr Baumann?"
Klarer Star des Filmes ist Clemens Schick als Vincent Baumann. Er spielt hier so ziemlich jeden an die Wand. Seine Darstellung als der emotionslose Agent der Versicherungsfirma gefällt sehr gut. Leider überzeugte mich der spätere Wandel der Figur nicht so ganz, aber das ist anhand der doch recht brillianten Darbietung zu verschmerzen. Ebenfalls gefiel mir Vincents Look, der super zur Stimmung des Filmes passten.
Lena Lauzemis spielt Lisa Sokulova und ist leider ein kleiner Schwachpunkt des Filmes. Sie setzt zu oft einen negativen Gesichtsausdruck auf und ihre Romanze mit Vincent kauft man ihr nicht so ganz ab. Zu selten agieren die beiden wie verliebt oder von einander angezogen. So gibt es eine Szene in einer Bar, in der Lisa singt und Vincent umgarnen soll. Lauzemis macht dies leider etwas passiv, ja fast schon gleichgültig. So hat sie eine sehr gelangweilte Körperhaltung und wirkt so gar nicht reizend auf unseren Helden. Ich hätte mir von ihr mehr Gefühle oder Emotionen gewünscht, da sie eben eine Person mit eben solchen darstellt. So ist es auch etwas schwer begreiflich, warum Vincent seine Meinung irgendwann ändert und Lisa hilft.
Marion Mitterhammer ist Diana Dorn, Vincent Baumanns Vorgesetzte und will die Aktivisten haben, die sich gegen das System auflehnen. Ihr ist dazu auch jedes Mittel recht. So setzt sie Vincent auf Lisa und die Aktivisten an, um die Firma weiterhin am Leben zu erhalten. Mitterhammer zeigt hier ebenfalls eine sehr kalte und zielstrebige Dame, die über Leichen geht, um das System zu beschützen. Ich hätte gerne noch mehr Szenen mit ihr gesehen.
"Sie wissen das Sie etwas planen und ich soll sie darüber informieren!"
Ein weiterer Schwachpunkt ist wohl die Handlung. So denkt man erst, es handle sich um den Kampf gegen das System und die Freiheit der Menschen. Leider rückt das immer mehr in den Hintergrund und die Romanze um Vincent und Lisa wird mehr und mehr Vordergrund der Geschichte. Oft versucht man die Kurve zu kriegen, aber am Ende bleibt es bei einer Liebesgeschichte zweier ungleicher Menschen in einem kranken System. Das ist schade, denn ich hätte viel mehr von diesem System und seine Auswirkungen, bzw. die Vorgeschichte oder das Scheitern dieses gesehen. Da die Liebesgeschichte der beiden Protagonisten bei mir nicht so zündete, war gerade die zweite Hälfte des Filmes sehr langatmig. Er hielt mich zwar mit seinem Look and Feel bei der Stange, aber überzeugte gerade durch das Ende nicht so ganz.
Allerdings ist dieser Film visuell eine Augenweide. Das dystopische Wien sieht so lebensecht aus und kommt mit keinem unglaubwürdigen Bullshit daher. Es gibt keine Raumgleiter oder ähnliches. Der sterille Look der Versicherung und der dreckige, kalte Teil der Stadt sind einfach perfekt getroffen wurden. Hier ist die schon auf mehreren Filmfestivals gelobte Arbeit von Kamera und Szenenbild wirklich berechtigt.
Ebenfalls mochte ich den Sound und die Musik des Filmes. So hat man einige fast schon typisch klingende Melodien für diese Art von Genre. Oft erinnerte es mich an "Blade Runner". Die Musik wird dann eher in Richtung Jazz gehalten. Das passt und verleiht dem Film einen gewissen Noir-Stil. Lena Lauzemis singt einige der Lieder sogar selbst und was sie an schauspielerischer Leistung nicht so ganz überzeugend rüberbringen konnte, macht sie mit ihrer Gesangseinlage wieder weg. Ihre Stimme passt perfekt zu dem Jazzsound.
Fazit
"Stille Reserven" ist kein Film für zwischendurch. Auch zielt er auf ein bestimmtes Publikum. So ist er mit seiner Grundhandlung auf jeden Fall etwas für die Freunde ruhiger Sci-Fi-Thriller. Fans von Filmen wie "Blade Runner" sollten ebenfalls mal reinschauen. Allerdings muss man sich im klaren sein, dass sich die Handlung sehr wandelt und ein Schwachpunkt des Filmes ist. Hat man nichts gegen eine Liebesgeschichte in der zweiten Hälfte des Filmes, so ist man hier gut beraten. Man bekommt eine tolle Leistung von Clemens Schick und einen glaubhaft aussehende Version eines dystopischen Wiens der Zukunft.
Alle, die ruhige Sci-Fi Filme mögen sollten diesen Film eine Chance geben. Er ist auf keinen Fall verschwendete Lebenszeit.
Der Film startet bei uns am 20. April 2017.