Denzel Washington hat in seiner Karriere vor allem durch actionbetonte Rollen ein breites Publikum erreicht. Die Figuren, die er spielte, hatten dabei aber meist mehr Tiefgang als in vergleichbaren Filmen. Starke Männer in schwierigen Situationen sind sein Markenzeichen. Richtig gut wird er allerdings immer dann, wenn er Menschen mit all ihren Schwächen darstellen kann. In "Fences" fügen sich seine Talente zu einem ganzen zusammen – er liefert nicht weniger als sein Meisterstück ab.
Some people build fences to keep people out, and other people build fences to keep people in
Pittsburgh, Ende der 50er Jahre. Troy Maxson arbeitet als Müllmann bei der Stadt und versucht mit dem wenigen, was er bekommt, seine Familie zu versorgen. Von einem Leben mit vielen Höhen und Tiefen gezeichnet, hat er sich ein Fleckchen aufgebaut, von dem er denkt, dass er mehr nicht erreichen kann. Ein kleines Haus, eine Frau, ein fast volljähriger Sohn, Kollegen, mit denen er sich versteht und eine ruhige Nachbarschaft. Oberflächlich alles in Ordnung in einer Welt, in der Schwarze so gut wie nichts vom weißen Amerika erwarten können. Aber unter der Oberfläche lauern viele Konflikte, die nach und nach aufbrechen.
Troy geht nicht zimperlich mit seinem Sohn Cory um. Er bringt dem Jungen keine Liebe entgegen, sondern will ihn abhärten für ein Leben, das voller Enttäuschungen sein wird. Cory ist ein talentierter Football-Spieler und hat ein Angebot, an einer Uni zu spielen. Der Vater ist dagegen. Sein eigenes großes Talent als Baseballspieler konnte er nicht in einer Profi-Karriere einsetzen. Er war bereits zu alt, als die Rassenschranken fielen. Daher betrachtet er solche Träume als Zeitverschwendung. Doch der 17-jährige will sich nicht unterkriegen lassen. Zu lange hat er in Angst vor seinem Vater gelebt.
Auch zwischen Troy und seinem erstgeborenen Sohn Lyons, der einer früheren Beziehung entstammt, gibt es so gut wie keine Beziehung. Mit Mitte Dreißig leiht sich dieser immer noch Geld von ihm, um als Musiker über die Runden zu kommen.
Troys Frau Rose, grandios gespielt von Viola Davis, hingegen tut alles, um die Familie am Laufen zu halten und Konflikte zu entschärfen. Dabei stellt sie sich selbst immer hinten an. Troy weiß, was er an ihr hat und ist trotzdem hinter einer anderen Frau her.
Dazu kommt sein Bruder Gabe, der nach einer Kriegsverwundung geistig behindert ist. Von der Entschädigungszahlung der Army konnte sich Troy das Haus leisten. Hat er sich also wirklich alles selber erarbeitet oder vom Schicksal eines anderen profitiert?
All diese Dinge – und mehr – führen innerhalb kurzer Zeit zur direkten Konfrontation. Ein durchgehendes Element ist dabei der Bau eines neuen Zauns zum Nachbargrundstück. Das ist verfallen, die Scheiben des Hauses eingeworfen. Troy will sich davon abgrenzen, so wie er sich von allem Schlechten in seinem Leben abgrenzen will. Gleichzeitig schließt er aber sich und seine Familie ein.
Me and Death, we wrestled for three days and three nights
"Fences" ist Denzel Washingtons dritte Regiearbeit und für ihn kein unbekanntes Feld. Er hatte die Rolle am Broadway gespielt und gleich das gesamte Ensemble der erwachsenen Schauspieler für den Film verpflichtet. Man merkt es den Akteuren an, wie wohl sie sich in ihren Rollen fühlen. Die langen Dialogstrecken bergen das Potenzial als nicht wirklich realistisch rüberzukommen, die Schauspieler – allen voran Washington – geben ihnen aber eine Natürlichkeit, die den Inhalt der Gespräche umso wirkungsvoller machen.
Den Bühnencharakter wird der Film auch nicht los, das meiste spielt sich im oder hinter dem Familienhaus ab. Das ist dem ganzen aber nicht abträglich. Die Darsteller füllen mit ihren Rollen die Leinwand mehr als genug aus. Allen voran Denzel Washington, der hier die riesige Bandbreite des komplexen Troy Maxson auspacken darf. Ein lustiger Geschichtenerzähler, ein einschüchternder Vater, ein charmanter Ehemann, ein standhafter Angestellter, ein Feigling, ein Kämpfer, ein Großmaul, ein verletztes Kind im Innern. Troy Maxson fühlt sich nicht an wie eine Bühnenfigur, sondern wie ein richtiger Mensch, dessen Leben verfilmt wurde.
Dem stehen die anderen Darsteller in nichts nach, insbesondere Viola Davis. Sie vermag die Facetten ihrer Figur so realistisch darzustellen, dass bei der Oscarverleihung wahrscheinlich kein Weg an ihr vorbeiführen wird.
Das Interessante an der Geschichte ist, dass sie zum einen zutiefst kulturell und historisch verwurzelt ist. Es ist eine Geschichte aus dem schwarzen Amerika und würde sich schwer woanders hin übertragen lassen. Das merkt man allein an der Art, wie die Figuren reden. Ihr Dialekt ist so spezifisch, dass eine Synchronisation dem einfach nicht gerecht werden kann. Wer den Film in vollem Umfang erleben will, sollte ihn im Original sehen. Am besten auch mit Untertiteln, um die vielen sprachlichen (Un-)Feinheiten zu verstehen.
Zum anderen sind die Konflikte an sich universell verständlich und vieles davon dürfte man selber aus dem eigenen Leben oder direkten Umfeld kennen, egal, woher man kommt. Seien es z.B. Probleme in der Ehe nach vielen Jahren, das Aufbegehren der Jugend oder die Unzufriedenheit über verpasste Gelegenheiten. Das gibt dem ganzen einen emotionalen Anker, wodurch man völlig bei den Figuren ist, ohne die Lebensumstände genauer kennen zu müssen. Vielmehr werden diese so dem Zuschauer auch nähergebracht.
Everything that boy do, he do for you
Denzel Washington hat mit "Fences" ein Herzensprojekt auf die Leinwand gebracht, das einen direkt ins Herz stößt, er darf zu Recht als der Hauptkonkurrent von Casey Affleck bei der Oscarverleihung um den Preis für den "bester Darsteller" gelten. "Fences" ist feinstes Schauspieler-Kino, das das Zeug zum Klassiker hat.
Einer der wiederkehrenden Aussagen von Troy Maxson ist "Ich habe alles gegeben, was ich konnte". Während es im Film auch eine Ausrede ist, kann man das von Denzel Washington nicht behaupten. Er hat mit "Fences" alles gegeben, was er kann und es dabei geschafft, nicht eine One-Man-Show daraus zu machen, sondern seinen Kollegen soviel Raum zu geben, dass auch sie glänzen können.
Großes Kino auf kleiner Fläche. Ein Meisterwerk.