Das Comeback der Hollywood-Musicals läutete "Moulin Rouge" vor 15 Jahren ein. "Chicago", "Les Miserables" oder zuletzt "Into the Woods" brachten Broadway-Hits auf die große Leinwand. Aber das klassische Hollywood-Musical ist ausgestorben – oder fast, wie Regie-Wunderkind Damien Chazelle mit seinem zweiten großen Film beweist. "La La Land" nimmt vertraute Klänge und versetzt sie in das moderne Los Angeles – im romantischsten Film des Jahres.
Eine alte Geschichte: Mädchen trifft Junge...
"La La Land" (ein Spitzname für Los Angeles) erzählt die Geschichte, die alle Romanzen erzählen. Zwei Menschen begegnen und verlieben sich, doch die Liebe ist bedroht – durch die beiden selber. Schaffen sie es dennoch?
Der Film dreht sich um zwei junge Künstler, die ihre Träume erfüllen wollen. Die aufstrebende Schauspielerin Mia hangelt sich von Vorsprechen zu Vorsprechen, der Jazzpianist Sebastian würde gern puren Jazz spielen in seinem eigenen Club, aber erstmal sollte er überhaupt Geld mit seiner Musik verdienen.
Die beiden laufen sich immer wieder über den Weg und an einem Abend, als beide einen Tiefpunkt erreicht haben, zündet ein erster Funke. Aber noch dauert es etwas, bis sie zueinander finden. Die Erfüllung ihrer Träume ist für beide das wichtigste und eine Zeit lang scheint es so, dass sie sich gegenseitig dabei unterstützen können – aber genau das wird dann zum Problem...
Eine alte Geschichte, aber ein neues Gewand
Mit "La La Land" hat Damien Chazelle einen Film auf die Leinwand gebracht, an dem er sechs Jahre lang gearbeitet hat, mit einigen Rückschlägen und Umbesetzungen. Ursprünglich sollten Emma Watson und Miles Teller, der bereits in Chazelles Durchbruch "Whiplash" brillierte, die Hauptrollen spielen. Nachdem man den Film gesehen hat, ist das aber nur schwer vorstellbar.
Emma Stone und Ryan Gosling spielen so strahlend, so leinwandausfüllend – alles in diesem Film dreht sich nur um sie. Beide versprühen einen gewissen Sex-Appeal, der jedoch von zerbrechlichen Seelenlagen übermannt wird. Mia und Sebastian sind sich sehr ähnlich, daher können sie sich gegenseitig Halt geben. Gemeinsame Lieder und Tanzeinlagen unterstreichen dies, kehren das Innere der Figuren nach außen – so wird die Liebe zwischen ihnen durch künstliche Mittel realer. Hier winken beinahe sichere Oscar-Nominierungen.
Das ist natürlich vor allem der Regie zu verdanken. Der erst 31-jährige Chazelle, der auch das Drehbuch geschrieben hat, vermischt auf besondere Art und Weise das echte Los Angeles mit den Traumwelten des Musicals. Er inszeniert seine Figuren an realen Schauplätzen, die man als Nicht-L.A.-Bewohner selten zu Gesicht bekommt und gewinnt selbst eher hässlichen Plätzen schöne Seiten ab.
Das wird besonders deutlich in der Eröffnungs-Tanznummer, die mitten im Stau auf einer Highway-Abfahrt stattfindet. Dutzende Tänzer springen zwischen und auf Autos herum, die Kamera nimmt alles in einer einzigen Fahrt mit. Ein bombastischer Auftakt, der aber tatsächlich nicht mehr in dieser Form überboten wird (am Ende gibt es etwas ähnliches, dass im Ton jedoch völlig anders ist).
Chazelle lockt uns hier zunächst wenig auf eine falsche Fährte. "La La Land" ist kein normales Musical, das sich mit einer Millionenstadt nur einen bestimmten hippen Hintergrund nimmt und dann seine Schau abzieht. Je länger der Film dauert, umso persönlicher werden die musikalischen Abschnitte und finden (ohne zu spoilern) ihren Höhepunkt in einem Close-Up vor schwarzem Hintergrund.
Eigentlich ist "La La Land" eher ein romantischer Film, der Gesang und Tanz nur benutzt, um das Seelenleben seiner Protagonisten zu offenbaren. Je mehr die Beziehung leidet, umso weniger wird auch gesungen. Die Abwesenheit der Musik wird zur Abwesenheit der Liebe.
Die langen Kamerafahrten ohne Schnitt bleiben als Stilmittel aber während der gesamten Laufzeit erhalten. Teilweise so unaufdringlich verwendet, dass man sich dessen erst gewahr wird, wenn das Lied vorbei ist.
Eine alte Geschichte mit alten, neuen Klängen
Die Musik und gewissermaßen das Libretto stammen (mit einer für den Film wichtigen Ausnahme) aus der Feder von Justin Hurwitz und Pasek and Paul. Die sehr jazzig angehauchten Nummern erinnern stark an die Musicals der 30er, 40er und 50er Jahre, erwecken aber mehr den Geist dieser Zeit statt ihn zu imitieren. Die beiden Hauptdarsteller bellen die Lieder nicht bühnenmäßig heraus, sondern nähern sich eher sanft heran. Gerade Emma Stone weiß hier mit großer Bandbreite zu überzeugen.
Die Tanzeinlagen sind bis auf den Anfang recht zurückhaltend. Gosling und Stone sind keine ausgebildeten Tänzer und haben z.B. erst für diesen Film Steptanz gelernt. Das war durchaus gewollt und unterstreicht in einer Szene die Unbeholfenheit der beiden. Nicht, dass die zwei schlecht oder unansehnlich sind, aber wer plötzlich eine Darbietung á la Fred Astaire und Ginger Rogers erwartet, der sollte sich einen Film dieser zwei Legenden ansehen. Eine ausgefeilte, kühne Choreographie hätte aber auch nicht an diese Stelle gepasst, auch wenn sich so etwas vielleicht gut für ein Nachleben als Youtube-Clip macht.
Es ist vielmehr dieser eigene Mix von Drama und Musical, der "La La Land" abhebt und deshalb gerade die begeistern sollte, die sonst nichts mit Musicals anfangen können.
Eine alte Geschichte, ein gutes Ende?
"La La Land" schafft das, was viele Musicals mit ihrer theatralischen Art nicht schaffen: eine Geschichte mit echten Emotionen zu erzählen – durch das Mittel der Künstlichkeit. Große Gesangseinlagen darüber, wie glücklich jemand ist, sind leicht an den Mann oder die Frau zu bringen. Es ist das Unglück, bei dem man schnell in den Kitsch und die Unechtheit abgleiten kann. Genau das gelingt "La La Land" vorzüglich. Nähme man die musikalischen Einlagen heraus, hätte man immer noch eine überzeugende Liebesgeschichte, aber sie hätte bei weitem nicht dieselbe Wucht.
Mia und Sebastian wollen auf die Bühne und machen ihr Leben zu einer, um uns daran teilhaben zu lassen. Musik und Film bilden eine untrennbare Einheit. Eine eventuelle Bühnenadaption kann man sich nur schwer vorstellen.
"La La Land" ist bezaubernd auf jede Art und Weise – ein Triumph des Kinos, denn hier sollte man ihn sehen. Wer diesem Film nichts abgewinnen kann (und wenn er es nur sich selber gegenüber zugibt), muss innerlich ziemlich leblos sein!
Ab 12. Januar in den Kinos.