Nicolas Winding Refn bringt seinen nächsten bildgewaltigen Film heraus. Eine Geschichte um die heutige Modewelt und eine Reise in die Abgründe der menschlichen Psyche. Lohnt sich der Film oder ist es doch nur eine weitere Beweihräucherung Refns ist?
„Beauty isn't everything, its the only thing!“
Jesse ist neu in Los Angeles und möchte sich einen Namen als Model machen. Sie hat auch die besten Voraussetzung dafür, denn sie ist eine Naturschönheit. Doch bald bemerkt sie, dass die Welt der Models ein dreckiger Sündenpfuhl ist und man nur durch Stärke überlebt.
„She has that… thing!“
Fast jeder kennt Refns Meisterwerk „Drive“. Und jedes Mal, wenn es heißt Refn macht einen neuen Film, muss er sich unweigerlich mit „Drive“ vergleichen lassen, was vielen Filme vielleicht nicht gut tut. Allerdings hat der Regisseur selber diese Tür geöffnet und „Drive“ war nun mal einfach sein Meisterwerk. Und an dieses kam er auch nicht mehr heran.
Soll heißen, dass „The Neon Demon“ absolut kein zweiter „Drive“ ist, aber er ist bei weitem ein besserer Film als sein letzter „Only God Forgives“. „The Neon Demon“ steht eigentlich fast schon für sich. Er hat natürlich die typischen Elemente eines Refn-Werkes, aber die Geschichte ist anders und macht innerhalb der Story noch mal eine große Wendung.
Da komme ich auch gleich zur großen Stärke des Films. Er spielt in drei Kapiteln. Während die ersten zwei noch recht geerdet sind, ist Kapitel 3 dann schon eine komplette 180 Grad-Drehung. Man wird geradezu überrascht und rechnet überhaupt nicht damit. Während andere Filme solche Sachen schon meilenweit anteasern, hat man hier überhaupt keine Ahnung, was das jetzt soll und wird gleichzeitig damit total abgeholt. Denn so kann man einen Film auch beenden. Noch dazu hat man wieder genug Gesprächsstoff, um zu interpretieren.
„Who wants sour milk, when you can get fresh meat!“
Elle Fanning ist die perfekte Besetzung für die Hauptrolle. Denn sie ist wirklich wunderschön, sie besitzt diesen Rehaugenblick und sieht schon ohne Make-Up perfekt aus. Schauspielerisch macht Fanning auch einen klasse Job. Sie schafft es, verschüchtert zu sein und ab und zu glaubhaft einen Konter auszuteilen. Aber man nimmt ihr die Unerfahrenheit wirklich ab. Und ihre Wandlung innerhalb des Filmes gelingt ebenfalls perfekt.
Jena Melone spielt die Make-Up-Stylistin Ruby. Sie lernt Fannings Charakter auf einem Shooting kennen und ist sofort von ihr beeindruckt. Sie ist die gute Seele und versucht Jesse ein wenig in die Welt der Models einzuführen. Ihre Charakterwandlung ist ebenfalls eine sehr schöne Überraschung und geradezu perfekt ausgearbeitet.
Bella Heathcote und Abbey Lee spielen zwei typische Models, die vor Arroganz und zickigem Getue strotzen. Natürlich sehen sie in Jesse eine gefährliche Konkurrentin. Die beiden zeigen, wie viel Schönheit in der Modewelt wert ist und worauf es ankommt. Beide spielen das sehr überzeugend.
Zu erwähnen sei noch Keanu Reeves, der hier ein Arschloch spielt. Er gibt einen schmierigen Motel-Besitzer und Reeves kann das wirklich gut. Ich hätte nicht gedacht, dass er mir einmal in einem Film so absolut unsympathisch ist.
Es gibt dann noch Jesses Freund oder Bekannten Dean, der aber leider ein Schwachpunkt im Film ist. Karl Glusman spielt hier jetzt nicht schlecht, aber im Gesamtkontext des Filmes passt dieser Charakter einfach nicht rein, da er versucht eine Art Beschützer für Jesse zu sein.
„Women would kill to look like this!“
Es gibt natürlich wieder die langsamen Kamerafahrten oder Einstellungen, wo gefühlt minutenlang auf ein Bild fixiert wird. Das ist eben der Stil von Refn. Wer das nicht mag, ist hier auch falsch.
Der Film wird langsam erzählt und nimmt sich die Zeit für die Atmosphäre. Er ist bei weitem aber nicht so langsam wie „Only God Forgives!“ Hier kommt öfters mal etwas Tempo rein.
Ebenfalls toll anzusehen sind die Szenen, in denen Refn mit Licht und Musik spielt. Der Soundtrack ist ebenfalls wieder richtig gut geworden und passt sich toll an den Film und die Bilder an, seien es sanfte Technobeats oder melodische Klänge.
Im allgemeinen macht es Refn richtig gut, das Schönsein als Mittelpunkt des Filmes zu präsentieren. Was ist Schönheit? Wie wirkt sie sich auf andere aus? Wie geht man selber damit um? Wie ist es, begehrt zu werden aufgrund dieser Schönheit? Und wie fühlen sich andere, die das auch haben wollen? Refn hat hier seine Hausaufgaben gemacht.
Allerdings sollte man sich aber auch auf was gefasst machen. Denn wie gesagt, der Film macht noch mal eine krasse Wendung, die sogar in den Ekel abdriftet. Und da beweist der Regisseur auch, dass er die Abgründe des Menschen gut in Szene setzen kann.
Fazit
„The Neon Demon“ ist ein toller Film geworden. Man darf hier keinen zweiten „Drive“ erwarten, aber wird hier mit unterschwelliger Spannung gut unterhalten. Die Bilder und Atmosphäre sind sehr schön ausgearbeitet und der Soundtrack unterstreicht das Ganze nochmal.
Die Schauspieler machen eine gute Arbeit und der Film weiß zum Schluss sehr großartig zu überraschen. Für alle Nicolas Winding Refn-Fans ein Muss. Alle anderen sollten sich auf einen ruhigen und langsam erzählten Film einstellen, der etwas tiefgründiger ist.
Ab 27. Oktober auf Blu Ray und DVD.