Wer unseren Podcast "Trailer Wars 2" (jetzt auch als mp3) gehört hat, weiß, dass ich mit großer Skepsis diesem Film entgegengesehen habe. Die neuen Filme haben für mich viel mehr enttäuscht als begeistert. Doch bei "Star Trek Beyond" war ein neues Kreativ-Team am Ruder. Kann es den Franchise zu neuem Glanz verhelfen?
"Ich hab mir schon wieder ein Hemd aufgerissen"
Die Enterprise-Crew ist auf ihrer Fünf-Jahres-Mission unterwegs. Genauer gesagt, ist sie seit drei Jahren im All – das bedeutet, die Filme setzen nun dort an, wo einst die klassische "Star Trek"-Serie aufgehört hat. Waren die beiden ersten Filme Vorgeschichten, so haben wir es hier nun mit einer Fortsetzung zu tun.
Captain Kirk (Chris Pine) ist an einem Scheideweg angekommen. Der lange Einsatz hat ihm die Lust am Raumfahren verdorben. Er fragt sich, ob es immer so weitergehen kann (die Missionen kommen ihm "episodenhaft" vor...). Kurz vor seinem Geburtstag, der auch immer der Todestag seines Vaters ist (s. "Star Trek" von 2009) und an dem er offiziell ein Jahr älter wird, als es seinem Vater vergönnt war, beschließt er, seinen Posten aufzugeben und bewirbt sich als Vize-Admiral der gigantischen Raumstation Yorktown.
Doch hier setzen sich die Ereignisse in Gang, die ihm wenig Zeit zum Sinnieren geben. Die Enterprise soll ein verlorenes Schiff aus einem dichten Weltraumnebel retten. Dort werden sie jedoch von dem geheimnisvollen Krall und seiner Schwarm-Flotte angegriffen und müssen auf einem unbekannten Planeten notlanden. Von hier aus versuchen die Crewmitglieder nun alles, um sich selbst zu retten und Krall zu stoppen, der einen schrecklichen Plan verfolgt.
"Wir sind ein gutes Team, oder? - Ich glaube, das sind wir, Captain."
"Star Trek Beyond" wurde mit großer Hektik produziert. Man MUSSTE einen Film zum 50-jährigen Star Trek-Jubiläum dieses Jahr bringen. Als dann auf halbem Weg (Drehtermine standen schon fest, etc.) Regisseur Roberto Orci (Co-Verfasser der beiden vergangenen Filme) und das Autorenteam gefeuert wurden, hieß es, schnell eine gute Lösung zu finden. Simon Pegg, der Chefingenieur Scotty spielt, wurde zum Autoren befördert, an seine Seite sprang Doug Jung, der bisher fast nur für TV-Serien schrieb. Justin Lin, der den "Fast and the Furious"-Franchise zu absurden Höhen hinsichtlich Stunts und Einspielergebnissen geführt hat, nahm im Regiesessel Platz.
Oft kann man ja unter Druck besser arbeiten. Dies ist hier augenscheinlich der Fall gewesen. Statt zu versuchen, mehr oder vor allem anders zu sein als das bekannte Star Trek (wie es die beiden letzten Filme getan haben), besinnt man sich auf alte Tugenden. Der ganze Film wirkt wie eine Mischung aus der klassischen Serie und den Filmen der Shatner/Nimoy-Ära.
Ja, es wird viel auf Action gesetzt und nicht auf Erforschung, aber das war ohnehin nie der Fall bei den Star Trek-Filmen und auch bei vielen erinnerungswürdigen Episoden, egal aus welcher Serie. Der entscheidende Unterschied zu "Star Trek" und "Star Trek Into Darkness" ist die Art, wie die Charaktere dafür eingesetzt werden, wie glaubhaft die Story ist und wie die Continuity des Star-Trek-Universums beachtet wird.
Zum ersten: Jede der Figuren wird angemessen eingesetzt. Gerade die Enterprise-Crew arbeitet als Crew zusammen, es werden keine künstlichen Konflikte geschürt, die am Ende mit ein paar Worten gelöst werden. Jeder nutzt auch das Maximum seiner Möglichkeiten und trägt etwas zur Lösung der Probleme bei, denen alle gegenüberstehen. Es gibt keine dummen Ausreisser wie Uhuras Beziehungsgekeife in "Into Darkness" oder Spocks alberner Wutausbruch im ersten Film. Einer der wenigen guten Punkte der vorangegangenen Filme war, wie die neuen Schauspieler ihre Rollen interpretiert haben. Solch bekannten Figuren gleichzeitig Vertrautheit und ein wenig Frische zu verleihen, war die größte Leistung der Beteiligten. Hier finden sie sich nun so zusammen, wie man sie aus der Serie kennt. Gerade zum Finale hin ziehen alle an einem Strang, keiner kommt dabei zu kurz, was wirklich sehr befriedigend anzusehen ist. So etwas hat lange gefehlt! (Interessantes Detail dabei im Abspann: Die Crew-Darsteller werden alphabetisch gelistet. So erscheinen John Cho und Simon Pegg vor Chris Pine...)
Die kleinen persönlichen Krisen von Kirk (s.o.) und auch von Spock nach dem Tod seines älteren Ichs wirken nicht wirklich notwendig, fügen sich aber weitaus besser und glaubhafter ein, als man es bisher aus der Kelvin-Timeline kannte (das ist der neue offizielle Begriff für diese alternative Realität zum bekannten Star Trek-Universum). Der Tod von Leonard Nimoy wird hier sehr schön in die Handlung integriert. Die Würdigung von Spock ist natürlich als eine Würdigung auf ihn zu verstehen. Zachary Quinto sagt an einer Stelle "Ich möchte das tun, was er geleistet hat" – eine tiefere Verbeugung kann es nicht geben.
Bei den Nebencharakteren ist Sofia Boutella als Jaylah eine echte Entdeckung. Sie zeigt sehr viel Leinwandpräsenz und funktioniert gerade in den Szenen mit Scotty sehr gut. Ein starker Frauencharakter, die nicht nur wegen ihres Äußeren im Gedächtnis bleiben wird (Damit meine ich ihr Alien-Design. Man sollte sich darauf einstellen, viele Cosplays davon zu sehen). Am Ende wird zumindest angedeutet, dass sie zurückkehren könnte. Ich würde das begrüßen.
Krall wird von Idris Elba gespielt. Und bei ihm darf man wie immer eine charismatische Darbietung erwarten und bekommt sie auch. Das täuscht aber nicht darüber hinweg, dass Krall ein relativ eindimensionaler Charakter geblieben ist. Zum Ende hin gibt es einige sehr gute Momente, aber alles in allem ist dies der größte Schwachpunkt des Filmes. Zu lange wird seine Motivation als sehr einfach gestrickt dargestellt. Hier hat man angesichts des Darstellers eine Chance vertan.
Die Handlung des Filmes ist zwar relativ dünn (Team wird in Falle gelockt, getrennt und muss wieder zusammenfinden, um Bösewicht zu stoppen), aber sie gleichzeitig deutlich in sich geschlossener, spannender und überzeugender, als es bei den Vorgängern der Fall war. Die Geschichte des ersten neuen Films strotzte nur so von Lücken und Löchern, die von "Into Darkness" war ein frankensteinsches Gebilde aus alten Filmen und Episoden, wo man sogar teilweise mit dem Bösewicht Khan sympathisierte (auch dank des brillanten Benedict Cumberbatch).
Hier hat man eine sehr geradlinig erzählte Geschichte, die keine Zeit mit Nebenschauplätzen verliert und auch nicht den Drang hat, eine Botschaft zu verbreiten, die nichts mit Star Trek zu tun hat (s. "Into Darkness"). Im Gegenteil. Sie stellt sogar den Tenor der Vorgänger als falsch und verheerend dar (wenn auch eher unterschwellig) und wendet sich der Star Trek-Grundbotschaft zu, dass aus Vielfalt Einigkeit entstehen kann, zum Glück aber nicht mit erhobenem Zeigefinger. Dennoch ist dies auch ein Kommentar gegen die politische Stimmung derzeit weltweit.
Justin Lins Erfahrung als Action-Regisseur zahlt sich hier aus. J.J. Abrams' Stil in diesem Fach ist oft geprägt von Unübersichtlichkeit und künstlicher Hektik. Lin hat hier deutlich das bessere Händchen und lässt auch mal Dinge ohne (sichtbaren) Schnitt geschehen. So wird vieles greifbarer und wirkt damit auch bedrohlicher.
Dennoch soll an dieser Stelle – ohne Spoiler – erwähnt sein, dass ein wichtiger Teil des Finales sicher für viele Diskussionen bei den Zuschauern und vor allem im Fandom sorgen wird. Justin Lins bisherige Filmografie (auch wenn er selbst ein großer Star Trek-Fan ist) schlägt dann an einer Stelle doch durch. Es ist cool gemacht, aber die Meinungen werden sicher auseinandergehen.
Die Kontinuität im Star Trek-Universum spielt keine so große Rolle wie bei den anderen Filmen. Die Beziehungen und Geschehnisse der Kelvin-Timeline sind weiterhin von Bedeutung, werden aber nicht dazu benutzt, um alle möglichen Änderungen einzufügen, sondern werden zurückhaltend weitergestrickt, um die Motivationen der Charaktere voranzutreiben. Da hier nichts Altbekanntes neu verwurstet wird, könnte dieser Film mit kleinen Änderungen auch in der primären Zeitlinie funktionieren. Tatsächlich wird diese sogar beachtet und gezeigt, wenn es um Ereignisse geht, die vor "Star Trek" von 2009 spielen. Dazu gibt es natürlich auch einige kleine Easter Eggs.
Fazit
Was bleibt also zu "Star Trek Beyond" zu sagen? Erfreulich ist, dass man einen Gang zurückschaltet, was das Star Trek-Universum, Zeitlinien und Neuinterpretationen angeht. Die Story und Charaktere funktionieren für diesen Film ziemlich gut. Es ist nicht das Mega-Spektakel, in dem die ganze Föderation auf dem Spiel steht, sondern ein sehr unterhaltsames Abenteuer mit wiedererkennbaren Charakteren.
Spektakulär sind wieder die Effekte, vor allem die Raumstation Yorktown versprüht einen gewissen "sense of wonder", den man von den Serien her kennt. Zugleich wäre es früher nicht möglich gewesen, so etwas zu zeigen. Man darf als Star Trek-Fans auch mal wieder staunen. Das hatten wir lange nicht mehr.
Dennoch bleibt der Film nicht ohne Schwächen und für das goldene 50-Jahres-Jubiläum mag das ganze vielleicht als zu wenig durchgehen, ich aber meine, dass dieser Film endlich etwas ist, dass neue und alte Fans und vor allem Zuschauer ohne Vorkenntnisse erfreuen kann. Hier kann man gerne die Geschichte weiterführen.