„Seht, warum sie mich den Tod nennen.“
Er ist ein Berg von einem Mann. Auf seinem Rücken trägt er ein Schwert, das genauso groß und schwer ist wie er selbst. Seine Arme erinnern eher an Baumstämme und in seinem Gesicht vermag man zu erkennen, wie viele blutige Schlachten er schon schlug.
Er ist der Berserker und er durchstreift ein wildes und raues Land. Er fürchtet nichts und niemanden und doch erschaudert ihn der Anblick von Rauch, der über dem Horizont aufsteigt.
Die pechschwarzen Rauchschwaden kommen von seinem Dorf. Seine Frau und sein Kind sind dort. Er hofft, dass ihnen nichts zugestoßen ist und doch befürchtet er das Schlimmste. Als er ankommt, sieht er, dass es wahr ist.
Die Flammen, der Rauch.
Sie sind tot und ihn überkommt die Trauer.
Doch dafür bleibt keine Zeit, denn die Mörder sind nicht fort. Sie haben ihn erwartet und greifen ihn aus dem Hinterhalt an. Doch der Berserker stürmt Ihnen entgegen und nichts entkommt seiner Klinge. So beginnt diese Geschichte – mit sehr viel Blut.
„Ich versuche mir ihre Gesichter vorzustellen… aber alles, was ich sehe, ist ihr Blut.“
Was für ein Einstieg. In bester Conan-Manier lässt der Kanadier Jeff Lemire seinen neuesten Sprösslinge auf die Leserschaft los. Körperteile fliegen umher und man hat stellenweise sogar das Gefühl, das Gebrüll des Kampfes zu hören, während man die Seiten umschlägt. So muss sich ein Comic mit dieser Thematik anfühlen!
Und doch wird früh deutlich, dass hier mehr drin steckt, als es den Anschein macht.
Nämlich genau dann, wenn der Kampf endet und die ruhigen Momente einsetzen. Dank der tollen Arbeit von Zeichner Mike Deodato, Jr. bekommen wir dann einen Berserker zu sehen, der auch mal trauern darf.
Hier entfaltet sich die wohl größte Stärke von Berserker Unbound. Es ist der Mut zur Emotionalität und nicht der sturen Gewalt. Zu zeigen, wie groß das Leid des Einzelnen sein kann, egal wie stark und furchterregend er ist.
Doch auch daneben gibt es weitere nennenswerte Ansätze. So etwa die Reise des Berserkers in unsere Gegenwart, wo er auf einen Obdachlosen trifft, der ihn notdürftig verarztet und bei sich aufnimmt. Doch genau hier gibt es für mich auch Probleme.
„Ich habe noch nie solche Häuser gesehen. Nicht mal in der goldenen Stadt.“
Was diese zweite Hälfte angeht, so muss ich zugeben, dass ich hätte sie eigentlich nicht gebraucht hätte. Lemire erfindet hier das Rad nicht neu und erinnert in seiner Herangehensweise an die Werke der schottischen Comic-Legende Mark Millar. Das ist keineswegs schlecht zu verstehen und fast schon als Lob aufzufassen.
Dennoch wirkt dieser Teil der Geschichte zu draufgesetzt und platt. Lemire erzählt einfach die zigste Zwei-Menschen-aus-verschiedenen-Welten-treffen-aufeinander-Geschichte und gerade mit seiner eigenen Black Hammer-Reihe hat er schon bewiesen, dass er dies viel charmanter und herausstechender machen kann.
Sei’s drum. Berserker Unbound ist trotzdem nicht vollkommen auf die Nase gefallen und macht gerade zu Beginn viel richtig – wer das mag, kann auch sicher mit dem Rest leben.
Erschienen im Splitter Verlag, 19,80 €