Chris: Hallo Andreas, danke für deine Zeit. Es ist schön, dass es tatsächlich geklappt hat und wir ein bisschen über "The Walking Dead" quatschen können.
Die Comics sind ja mittlerweile schon weltbekannt, was vor allem an der erfolgreichen TV-Serien-Adoption von AMC liegt, die bei uns ebenfalls erscheint. Bevor wir nun aber richtig anfangen, will ich erst einmal wissen: Bist du selbst Fan von "The Walking Dead?"
Andreas: Ja, klar. Wobei ich eher Fan der Comics bin. Die ersten Staffeln der TV-Serie habe ich natürlich auch gesehen, bin dann aber nach Staffel 3 oder 4 – vor allem aus Zeitmangel – ausgestiegen. Ich möchte aber auch die Fernsehserie gerne irgendwann mal weiterschauen. Auch die Schwesterserie "Fear the Walking Dead" - Zu der es ja leider keine Comics gibt.
Chris: Laut Wikipedia gibt es bereits seit Anfang 2006 die Comics bei euch auf Deutsch. Das ist so ziemlich auch schon alles, was man dort über euer Engagement zur Reihe erfährt. Sicher kannst du mir ein bisschen mehr dazu erzählen. Wie kam "TWD" zu euch und wie verliefen so die Jahre vor der Veröffentlichung der TV-Serie?
Andreas: In den USA ist die Comicserie bereits 2003 gestartet. Image Comics feiert also 2018 "15 Jahre The Walking Dead". Wir waren 2005 in San Diego auf der Comic-Con und haben dort, mehr oder weniger zufällig, die ersten zwei oder drei Tradepaperbacks der Comicserie gekauft und auf dem Rückflug gelesen. Da uns die Bände super gefielen, haben wir uns gleich um die Lizenz bemüht. "The Walking Dead" war ja damals "nur" eine Art Insidertipp und die Image-Leute waren froh, überhaupt Anfragen aus dem Ausland zu bekommen. Also hatten wir keine Konkurrenz zu fürchten - Was natürlich ein Riesenglücksfall für uns war.
Ein paar Jahre später und wir hätten sicher keine Chance gehabt gegen Angebote andere Verlage. Die Serie lief auch in den Jahren vor der TV-Serie schon gut, aber natürlich eher im normalen Rahmen. Es erschienen aber hier und da schon Rezensionen in Zeitungs-Feuilletons, was etwas ungewöhnlich war für eine "normale Horror-Comicserie". Bisher gab es auf den Kulturseiten ja fast nur Besprechungen irgendwelcher Comic-Klassiker oder Graphic Novels. Da haben wir dann schon langsam gemerkt, dass die Serie etwas Besonderes werden könnte. Dass eine "kleine schwarz-weiße Comicserie" so einen multimedialen Riesenhype inklusive einer mächtigen neuen Zombiewelle lostreten würde, konnten wir damals aber noch nicht ahnen.
Chris: Und wie war es dann zum Start der TV-Serie? Gab es einen deutlichen Anstieg an Verkäufen?
Andreas: Die TV-Serie war natürlich ein schöner Ansatzpunkt, damit die Presse auch über die Comicserie berichtet. Damals gab es noch nicht so viele Serien, die auf Comics basierten. Die Serie war zwar recht schnell ein großer Erfolg, aber wegen dem ganzen Hick-Hack um den Showrunner Frank Darabont und seinem Streit mit AMC kam die Serie erst nach einigen Staffeln so richtig in die Spur. Der Sender wollte wohl trotz des Erfolgs das Budget eher zusammenstreichen als aufstocken.
Die Verkaufszahlen der Comics sind dessen ungeachtet aber natürlich rasch gestiegen und es kamen ganz neue Lesergruppen dazu. Zum Beispiel Teeniemädchen und junge Frauen, die sonst eher keine Comics lesen. Dann kamen ja noch Videogames, und Romane und Brettspiele und anderes Merchandising dazu. Das hat den Leserkreis immer weiter verbreitert - weit über den sonst eher sehr begrenzten Kreis der normalen Comicleser.
Chris: Dann können wir ja gleich anschließend auf heute gucken! Wie verhält es sich denn mittlerweile mit den Verkäufen? Ihr veröffentlicht ja aktuell im Hardcover- als auch Softcover-Format.
Andreas: Auch heute läuft die Comicserie noch erstaunlich gut. Besonders wenn man einrechnet, dass viele deutsche Leser statt den deutschen Comicausgaben lieber die US-Ausgaben kaufen oder sich die Comics gleich illegal aus dem Netz besorgen. Da ist die Dunkelziffer sehr hoch. Die meisten Leser haben aktuell nach wie vor unsere normalen Hardcover-Ausgaben, dann folgen die Kompendium-Ausgaben und schließlich die Softcover.
Wir hatten uns von den günstigen Softcoverausgaben mehr erwartet. Die haben wir an den Bahnhofskiosken gestartet und sie waren eigentlich auch dafür gedacht. Das hat aber nicht gut funktioniert, also haben wir dann auch die Softcover im normalen Buchhandel verkauft.
Aber uns ist es natürlich recht, wenn die Händler und Leser den hochwertigeren Ausgaben treu bleiben. Viel läuft da über Amazon. Buchhändler könnten sicher noch mehr verkaufen, wenn sie darauf achten würden, immer die Kompendium-Ausgaben am Lager zu haben und die ersten und die aktuellen Hardcover-Bände. Aber wir sind auch so zufrieden.
Chris: Lass uns mal kurz über SKYBOUND reden. Dies ist ja der von Robert Kirkman und David Alpert selbst gegründete Verlag, der mittlerweile neben "The Walking Dead" auch viele andere tolle Comic-Reihen beinhaltet. Cross Cult besitzt ja das Privileg, eben jene Comic-Reihen auch bei uns rauszubringen. Wie kam denn diese Zusammenarbeit einst zustande? Gab es dabei möglicherweise Probleme?
Andreas: Skybound kam vor ein paar Jahren auf die Idee, solche "Umbrella Deals" mit ihren Lizenznehmern in den wichtigsten Territorien zu schließen – also für Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien. Die Absicht dahinter war, das Lizenzvergabe-Prozedere zu entwirren, die Skybound-Serien jeweils bei einem Verlag zu bündeln und so das Marketing zu vereinfachen. Da die Jahresgebühren für den Deal jeweils im Voraus fällig werden, bekommt Skybound das Lizenzgeld etwas früher. So haben wir nun also einige Jahre Ruhe, was gute Skybound-Serien angeht und müssen nicht um coole neue Lizenzen "kämpfen" - wie aktuell Robert Kirkmans brandneue Serie Oblivion Song, die im März 2018 quasi weltweit am selben Tag startet. Leider sind aber nicht alle Skybound-Serien Selbstläufer. Wir müssen also weiterhin gut überlegen, welche Reihen wir auf Deutsch veröffentlichen und welche nicht.
Es bestand damals sicher die Gefahr, dass Skybound sich überlegt, selbst die fremdsprachigen Ausgaben zu veröffentlichen. Oder dass ein anderer Verlag viel Geld auf den Tisch legt, um sich die The Walking Dead Lizenz zu schnappen. Beides ist zum Glück nicht passiert bzw. Skybound hat seinen ursprünglichen Partnern die Treue gehalten.
Chris: Schöne Sache. Aber seit ihr auch mit den bisherigen deutschen Auflagen von "Birthright" und Co. zufrieden? Oder müssen sich Fans Sorgen um Outcast oder ähnliche Titel von SKYBOUND machen?
Andreas: Ist alles noch OK. Wir können aber natürlich nicht ausschließen, dass auch mal eine Serie am Ende einer Storyline beendet werden muss, falls sie von den Lesern nicht gut genug angenommen wird und den Verlag nur eine Menge Geld kostet, das dann für andere Projekte fehlt. Davor sind große wie kleine Verlage nicht gefeit. Aber man versucht natürlich Wege zu finden, ein vorzeitiges Ende zu vermeiden.
Im Fall von "The Goon" sind wir ja dann z.B. auf Sammelbände umgestiegen, damit die Leser die Serie noch zu Ende lesen können. "The Walking Dead" kann natürlich gerne noch ewig weiterlaufen, aber bei anderen Reihen, so toll man sie findet, ist man als Verlag und wohl auch als Leser manchmal froh, wenn die Geschichte nach ein paar Ausgaben auch mal zu einem runden Ende findet. Ein Krimi-Roman hat ja normalerweise auch einen Anfang und einen Mittelteil und ein Ende und dann ist der Fall gelöst und es ist gut. Nur bei Comics ist es Usus, dass man eine Geschichte, eine Reihe, die einigermaßen gut läuft, endlos in die Länge ziehen muss. Das ist wohl das Erbe der Superheldenhefte. Bruce Wayne wird vermutlich nie seinen verdienten Ruhestand antreten können.
Chris: Zum Schluss, möchte ich nun nochmal zurück zu "The Walking Dead" kommen. Was glaubst du, macht den Reiz an der Reihe und seiner Geschichte aus? Schließlich sagen viele, das Thema Zombie sei ausgelutscht und könne niemanden mehr groß begeistern.
Andreas: Na, das Thema war vielleicht ausgelutscht, bis "The Walking Dead" eine neue Zombiewelle losgetreten hat. Es gab sicher auch vor The Walking Dead schon den einen oder anderen originellen Ansatz, was Zombie Filme, Romane, Comics oder Games angeht, aber Robert Kirkmans Vision war einfach "am größten".
Seine Grundidee war ja, dass er einen Zombiefilm schaffen wollte, der niemals endet und er hat damit den Lesern mehr geboten als einfaches Weglaufen, Kämpfe, etwas Gore und am Ende sind alle tot oder auch nicht. Es geht ja bei "The Walking Dead" vor allem darum, wie sich Menschen verhalten, wenn eine solche Katastrophe über die Welt hereinbricht. Wie gut oder böse muss man sein, um überleben zu können? Was passiert, wenn die Infrastruktur, die Grundversorgung komplett zusammenbricht, wenn es keine Polizei, keine Gesetze mehr gibt? Und das alles hat er schön "garniert", mit Zombie-Action und einer Menge Blut und Freundschaft und Verrat und Sex und Trauer und Liebe und Hass. Nur durch den mutigen Ansatz, dass die Serie sehr lange laufen sollte, konnte er all dies einbauen und daraus eine große, epische Geschichte entwerfen. Und das hat schließlich zum Erfolg geführt. Jetzt muss er halt nur noch aufpassen, dass er immer wieder neue Impulse findet, damit die Geschichte spannend bleibt – was ihm hoffentlich noch eine Weile gelingen wird.
Chris: Andreas, es war mir eine Freude, mit dir dieses Interview zu führen. Danke für deine Zeit und vor allem deinen Antworten. Ich wünsche weiterhin viel Erfolg und freue mich schon auf alles Kommende von euch. Vielen Dank.
Gleich reinlesen? Schaut hier vorbei:
http://www.comiccombo.de/index.php?mode=search&keywords=the+walking+dead