Ich spiele gern mit meinem Essen – Abigail (mit Spoilern!)

    Ich spiele gern mit meinem Essen – Abigail (mit Spoilern!)

     

    Eine Gruppe Krimineller plant den großen Coup. Die Tochter eines reichen Mannes entführen und 50 Millionen kassieren. Aber sie wissen nicht, auf was für eine schreckliche Nacht sie sich eingelassen haben...

     

     

    Es ist DAS Ding, mit dem sie reich werden wollen. Sechs professionelle Kriminelle, jeder mit verschiedenen Fähigkeiten, arbeiten zusammen, um die 12-jährige Tochter eines Multimillionärs zu entführen. 

     

    Tatsächlich klappt alles am Schnürchen. Eine saubere Operation, das Mädchen mit dem Namen Abigail wird von der Stadt in ein entlegenes altes Haus gebracht. Dort erwartet sie der Auftraggeber, der sie auf eine Wartezeit von 24 Stunden einstellt, in der man das Kind bewachen muss, bis das Geld da ist. 

     

    Doch schon bald merkt die zusammengewürfelte Truppe, dass es doch nicht so einfach wird. Abigail entpuppt sich als Tochter eines berüchtigten Gangsterbosses. 

     

    Alles scheint auseinanderzufallen. Aber dann wird es noch schlimmer. Denn Abigail ist ein Vampir und hat nur auf neues Futter gewartet. 

     

     

     

     

    WIE GEHEN WIR VOR? AM BESTEN, WIR TEILEN UNS AUF!

     

    Es ist schon eine schicke Idee, die das Regie-Team Matt Bettinelli-Olpin und Tyler Gillett nach dem Drehbuch von ihrem langjährigen Partner Guy Busick und Stephen Shields umsetzt. 

     

    Man hätte die Enthüllung der Vampirin natürlich unter Verschluss halten können, stattdessen verrät der Trailer den großen Twist. Das ist schade, wenn man sich an die Überraschung erinnert, die einst From Dusk Till Dawn für seine Zuschauer bereithielt. Daher hat es auch keinen Sinn, an dieser Stelle auf Spoiler zu verzichten.

     

    Zudem merkt man auch schnell, dass es gar nicht um subtilen Gothic Horror geht, bei dem die Protagonisten nicht wissen, mit wem sie es zu tun haben, um schließlich einer nach dem anderen geschnappt zu werden.

     

    Nein, das hier ist ein Monster-Actionfilm á la Terminator mit einigen Spritzern Komödie versehen, der vor allem den Kampf gegen einen schier unüberwindbaren Gegner zeigt.

     

    Eine Menge Blut und Splatter und heftig laute Jump Scares runden den Genre-Spaß ab. 

     

    Grundsätzlich ist der Film recht kurzweilig, allerdings wird der geübte Horror-Zuschauer alle Handlungspunkte meilenweit sehen kommen. Über Abigail schwebt ohnehin mehr der Geist einer Parodie, tatsächlich ist From Dusk Till Dawn eine ziemlich gute Vergleichsbasis, wenn man den Ton des Filmes beschreiben will. 

     

     

     

     

    Tarantino stand wohl auch Pate bei der Namensgebung der Charaktere. Wie einst in Reservoir Dogs benutzen die Gangster keine echte Namen, damit sie sich nicht gegenseitig verraten können. 

     

    Stattdessen gibt ihnen ihr Auftraggeber Lambert (gespielt von Giancarlo Esposito) die Vornamen des Hollywood Ratpack, also Frank (Sinatra), Dean (Martin), Sammy (Davis jr.) und Co. 

     

    Die Truppe vertraut sich nicht wirklich und hat durchaus ihre Schwächen, was bei der Vampirbekämpfung nicht gerade hilfreich ist. 

    So geht vieles schief und am Ende bleiben auch genau die Figuren übrig, von denen es man erwartet hat – eben weil sie beiden größten Stars, Melissa Barrera und Dan Stevens, sind.

     

    Vieles sieht man kommen und wirklich überraschend wird es erst kurz vor Schluss, als Frank beschließt, selber zum Vampir zu werden.

     

     

     

     

    DAS RATPACK DES VERBRECHENS

     

    Die Truppe der Entführer und auch die Titelfigur sind zum Glück weder fehlbesetzt, noch nervig angelegt. Ganz vorne ist Alisha Weir als Abigail zu erwähnen; die 14-jährige Darstellerin hat für ihr junges Alter schon einige Erfahrung und das zeigt sich auch hier.

     

    Filme mit Kinderhauptrollen stehen und fallen nun mal mit dem Casting, insofern kann man hier von einem echten Volltreffer sprechen. Weir liefert nicht nur eine sehr gute Performance ab, sie beherrscht auch locker jede Szene, in der sie ist. Eine absolute Entdeckung, bei der man auf weitere Filme gespannt sein darf.

     

    Dan Stevens darf mit Frank wieder mal einen Charakter mit moralisch fragwürdigen Eigenschaften spielen (und so gegen sein Downton Abbey-Romantik-Image ankämpfen), während Melissa Barrera als Joey zwar solide spielt, aber am Ende doch diejenige Person, die eigentlich reinen Herzens ist, geben darf. Wirklich auf der Kippe steht ihre Figur nicht. Sie wirkt fast deplatziert in dieser Gruppe. Etwas mehr graue Schattierungen hätten hier gut getan.

     

    Die anderen Nebenfiguren sind allesamt etwas übertrieben und man erkennt sehr, sehr schnell, dass keiner von ihnen überleben wird. 

     

    Das muss nicht uninteressant sein, gerade William Catlett als der geistig wenig bewegliche Rickles kommt doch sympathisch rüber.

     

    Selbst  Kiffer/Trinker/Psycho Dean (Angus Cloud in seiner letzten Rolle vor seinem frühen Tod) geht zwar den anderen auf die Nerven, aber Cloud spielt ihn so interessant, dass es einem schon ein bisschen leid tat, ihn als ersten gehen zu sehen. 

     

    Auch weil dies absolut zu erwarten war, hatte ich noch Hoffnung, dass hier gegen das Klischee erzählt werden würde. Leider kam es nicht dazu. 

     

     

     

     

    DIE LOVER DER LADY MARY

     

    Trotz aller Kurzweil und unterhaltsamer Komik muss man dem Film doch vorhalten, sich zu sehr auf vorhersehbare Handlungsentwicklungen zu verlassen. Statt richtiger Spannung setzt man auf sehr laute Jump Scares; statt Genre-Konventionen zu unterwandern, gibt man sich ihnen völlig hin. 

     

    Gerade zum Ende hin benehmen sich die Charaktere zum Teil immer dümmer. So wird es Tag und Sonnenlicht verbrennt hier die Vampire nicht nur, sondern lässt sie richtig schön platzen. Statt aber an dem einem Ort zu bleiben, wo die meiste Sonne hinscheint, teilt man sich wieder auf, um Abigail zu finden (in den dunklen Räumen).

     

    Das Haus ist zwar nahezu komplett verschlossen, trotzdem sieht man einige Stellen, wo es quasi nur mit Brettern verbarrikadiert ist. Die ganze Zeit will man den Leute zurufen, dass sie doch einfach eine Axt suchen und das Holz durchschlagen sollen. 

     

    Auch das riesige Fenster in der Bibliothek scheint nicht unerreichbar. Kann man hochklettern und das Glas einschlagen? Die Truppe probiert es nicht einmal...

     

    Die Dialoge können witzig sein, sie wirken aber oft auch hölzern, da sie vor allem expositioneller Natur sind. Die Gangster erklären, was sie bei der Entführung tun, sie analysieren sich gegenseitig, wer sie eigentlich sind – selbst Abigail hat eine längere Szene, die im Grunde nur Backstory-Gequassel ist. 

     

    Die Actionszenen, bei denen gegen Abigail gekämpft wird, sind zwar ziemlich unterhaltsam, teilweise auch sehr blutig und die Vampirin kommt glaubwürdig als viel Stärkere rüber, aber eine echte Steigerung gibt es dann auch nicht.

    Abigail ist die ganze Zeit in ihrem Ballerina-Outfit, in dem sie entführt wurde. Sie setzt beim Kämpfen auf Tanzschritte, um ihre Gegner zu überraschen, aber das wird nach einer Weile öde. 

     

    Das Ende geht dann in eine andere Richtung, als man es vielleicht erwartet hätte. Jedoch scheint auch Joey plötzlich übermenschliche Kräfte zu haben. So oft wie sie gegen Wände und Boden geschleudert wird, sollte es ein Wunder sein, dass sie überhaupt noch laufen kann. Stattdessen wird sie zur Action Heroine, die dann zusammen mit Abigail den neuen Vampir Frank überwältigt.

     

    Der Cameo-Auftritt von Matthew Goode als Vater von Abigail am Ende ist zwar für Downton Abbey-Fans eine kleine Freude (er und Dan Stevens sind schließlich die einzigen, die Lady Marys Herz gewinnen konnten), aber dass man für so eine kleine Rolle einen so bekannten Darsteller gewinnen konnte, verrät eher, dass man so auf eine Fortsetzung bauen kann. 

     

    Das Ende lässt offensichtlich viel Raum für Sequels und Prequels – das deckt im Grunde nur auf, welche Charaktere die interessantesten sind. 

     

     

    FAZIT

     

    Abigail ist ein Film, der mehr für einen gemeinsamen Videoabend mit Freunden passt als für einen Kinobesuch. Aber den kann man ja auch in der Gruppe unternehmen, am besten sollte eine Person dabei sein, die leicht schreckhaft ist. Horror-Freunde werden hier kaum aus dem Sitz springen. Da macht es mehr Spaß, anderen dabei zuzusehen. 

     

    Dieser Horrorfilm ist weder eine Katastrophe noch ein Meisterwerk. Er ist ziemlich gutes Mittelmaß, bei dem die letzten guten Ideen fehlen, um sich auf eine höhere Qualitätstufe zu heben. 

     

    Sechs von zehn Fangzähnen.

     

     

     

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